Wie Jomb dort Lehrstellen schaffen will, wo sie noch nicht existieren
Die Schweiz braucht junge Fachkräfte, doch in vielen Berufen fehlen Ausbildungsplätze – häufig aufgrund mangelnder Ressourcen. Die Ausbildungsplattform von Jomb schafft hier Abhilfe und bildet mit Partnerfirmen Lernende aus. Wie das genau funktioniert, verraten die beiden Gründer und Managing Partner Bianka König und Jonas Schwertfeger. Interview: Tanja Mettauer
Mit Jomb bieten Sie eine Ausbildungsplattform an, die es Unternehmen ermöglicht, Mediamatiker-Lernende auszubilden, auch wenn einem Unternehmen Teilbereiche der erforderlichen Ausbildungsthemen fehlen. Wie ist diese Idee entstanden und weshalb braucht es ein solches Angebot?
Bianka König: Die Idee von Jomb ist während der Zusammenarbeit bei unserer Schwestergesellschaft Berufsbildner.ch entstanden. Wir stellten fest, dass in vielen Berufen ein deutliches Ungleichgewicht zwischen interessierten jungen Menschen und dem tatsächlichen Lehrstellenangebot besteht. Wir analysierten Statistiken zur beruflichen Grundbildung und diese haben gezeigt, dass dies etwa beim Beruf Mediamatiker/in EFZ der Fall ist. Und da wir selbst nahe bei diesem Beruf angesiedelt sind, entschieden wir uns dazu, Jomb mit diesem zu starten. Viele Unternehmen würden gerne junge Menschen ausbilden, haben selbst aber häufig zu wenige Ressourcen, um die Lernenden drei oder vier Jahre lang zu betreuen. Mit Jomb bieten wir für Lernende und Unternehmen einen Mehrwert, indem wir neue Ausbildungsplätze schaffen.
Wie funktioniert dieses Modell genau?
König: Wir verfügen über einen wachsenden Pool von Partnerbetrieben, die Lernende in bestimmten Fachbereichen ausbilden möchten, aber nicht alle Bereiche eines Berufsbildes abdecken können oder wollen. Jomb rekrutiert talentierte Jugendliche und schliesst mit ihnen einen Lehrvertrag über die gesamte Ausbildungszeit ab. Wir übernehmen damit die Bildungsverantwortung und begleiten die Lernenden über die gesamte Lehrzeit, während dieser sie ihre praktische Ausbildung bei den Partnerunternehmen absolvieren. Unser Modell lässt sich mit Ausbildungsverfahren in Grossunternehmen vergleichen, wo Lernende innerhalb der Firma verschiedene Praxiseinsätze durchlaufen.
Was haben Unternehmen konkret davon?
Jonas Schwertfeger: Wir entlasten sie bei der Rekrutierung von Lernenden, deren Betreuung, bei der Bildungsplanung und den administrativen Aufgaben der Ausbildung. Das Rotationsmodell von Jomb bietet ihnen wertvolle Flexibilität, da sie sich jährlich neu entscheiden können, ob und wem sie einen Ausbildungsplatz anbieten möchten. Die Mehrheit unserer Partnerunternehmen wäre alleine nicht in der Lage, Lernende in unseren Berufen auszubilden. Sei es, weil ihnen die personellen Ressourcen fehlen oder weil sie die Ausbildung inhaltlich nicht komplett abdecken können. Uns freut es deshalb besonders, dass 80 Prozent unserer Partner vorher noch nie Lernende ausgebildet haben. Diese Unternehmen sind unglaublich motiviert, bringen Ideen ein und bereichern so unsere Zusammenarbeit.
Was bringt das Modell den Lernenden?
Schwertfeger: Jomb bietet jungen Talenten die Möglichkeit, ihren Traumberuf zu erlernen. Im Jahr 2023 konnten wir 23 Jugendlichen eine Lehrstelle anbieten – Lehrstellen, die es sonst nicht gegeben hätte. Die Lernenden wechseln jedes Jahr den Ausbildungsbetrieb und haben so die Chance, neue Erfahrungen zu sammeln sowie verschiedene Firmenkulturen und Arbeitsweisen kennenzulernen. Gerade für die heutige Generation ist Jomb wegen der Rotationen sehr spannend. Neben den wechselnden Praxiseinsätzen bieten unsere Talent Manager den Lernenden während der gesamten Ausbildungszeit eine persönliche Betreuung. Zudem organisieren wir für unsere Lernenden regelmässig Veranstaltungen, bei denen sie sich über Lehrjahre und Berufe hinweg als Teil der Jomb-Community austauschen können – oder einfach gesagt: Niemand ist bei Jomb allein.
Wie genau sind die Rollen zwischen Jomb und Lehrbetrieben verteilt?
König: Ein Partnerbetrieb übernimmt die Rolle des Praxisbildners. Unternehmen können sich so voll und ganz darauf konzentrieren, den Lernenden die notwendigen praktischen Kompetenzen zu vermitteln. Dabei steht ihnen unsere Online-Plattform zur Verfügung, die sie bei allen organisatorischen Belangen unterstützt. Wir bei Jomb haben die Rolle des Berufsbildners inne und tragen die Ausbildungsverantwortung, da die Lernenden den Lehrvertrag mit uns abschliessen. Wir koordinieren die gesamte Vertragsabwicklung mit den Lernenden und ihren Eltern sowie die Zusammenarbeit mit den Berufsbildungsämtern. Wir erstellen ausserdem die Bildungsplanung für die einzelnen Lehrjahre. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie keine Bildungsbewilligung beantragen und nicht zwingend einen Berufsbildnerausweis vorlegen müssen. Zusätzlich agieren wir als Begleiter, Mentor und Coach für die Jugendlichen und Unternehmen.
Was passiert, wenn Probleme zwischen den Partnerbetrieben und den Lernenden entstehen?
König: Sollte es wider Erwarten zu einem Problem zwischen Lernenden und Partnerunternehmen kommen, unterstützen wir die Beteiligten von Anfang an. Bei kleineren Differenzen ermutigen wir beide Parteien, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Ist diese erste Eskalationsstufe keine Option, vermitteln unsere Talent Manager zwischen den Parteien. Sollte trotz aller Bemühungen keine Lösung in Sicht sein, besteht die Möglichkeit, dass die Lernenden ihren Praxiseinsatz vorzeitig wechseln.
Wie funktioniert die Lizenzierung der Jomb-Plattform, damit Unternehmen die Plattform selbstständig für das Ausbildungsmanagement ihrer Auszubildenden nutzen können?
Schwertfeger: Mit unserer Webplattform managen wir und die Partnerunternehmen die gesamte Ausbildung der Lernenden. Für unsere Partner ist die Nutzung kostenlos. Die Plattform funktioniert als Cockpit und liefert einen Gesamtüberblick, etwa zu den schulischen und fachlichen Kompetenzen, dem Entwicklungsstand oder auch dem Zeitmanagement. Man könnte sie quasi als «Talent Operating System» bezeichnen. Auf der Plattform werden Informationen aus verschiedenen Quellen gesammelt und zentral aufbereitet. Dank dieser Übersicht wissen zum Beispiel Praxisbildner, welche Kompetenzen ihre Lernenden bereits besitzen und können ihnen entsprechende Aufgaben zuteilen. Auf der Plattform stellen wir einen Aufgabenkatalog bereit, an dem sich die Betriebe orientieren können. Lernende haben die Möglichkeit, auf der Plattform direkt ihre Leistungsnachweise zu dokumentieren – auch via Smartphone. Gerade die Mobile-Optimierung hat für uns einen hohen Stellenwert. Die hochgeladenen Arbeiten dienen den Lernenden als Lerndokumentation und damit später auch als Nachschlagewerk für die Lehrabschlussprüfung.
Werden Sie künftig noch weitere Berufe ausbilden?
König: Im August 2024 starten wir neu mit der Ausbildung Entwickler/in digitales Business EFZ. Diese Ausbildung wurde erst im vergangenen August in der Schweiz lanciert. Das Angebot an verfügbaren Lehrstellen ist deshalb noch beschränkt. Bis 2025 wollen wir noch weitere ICT-Berufe in unser Portfolio aufnehmen. Wir möchten möglichst viele Unternehmen für unser Modell begeistern und für sie den Schritt in Richtung Ausbildungsbetrieb so leicht und unkompliziert wie möglich machen. Jomb ist im Kanton Zürich gestartet, seit 2024 sind wir nun auch im Kanton Aargau vertreten und bieten sowohl die Ausbildung als Mediamatiker/in EFZ als auch zur Entwickler/in digitales Business EFZ an.
Welche weiteren Schritte planen Sie mit Jomb?
Schwertfeger: Unser langfristiges Ziel lautet: Wir wollen dort Lehrstellen schaffen, wo sie heute noch nicht existieren. Wir ziehen verschiedene Branchen in Betracht und tauschen uns bereits mit Branchenverbänden aus, um herauszufinden, wo unser Modell einen echten Mehrwert bieten kann. Hinzu kommt, dass wir unsere Jomb-Plattform langfristig auch Unternehmen mit eigenen Lernenden zur Verfügung stellen möchten. Wir haben hierzu bereits mehrere Anfragen von interessierten Firmen erhalten. Diesen Sommer starten wir daher eine Pilotphase mit ausgewählten Interessenten.