Umstrittene These

Mehr Schweizer Schulen verbieten Handynutzung

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von René Jaun und gal

Zum Start des neuen Schuljahres führen mehrere Schweizer Schulen Handyverbote ein. Sie begründen dies mit den negativen Auswirkungen von Mobiltelefonen auf die Gesundheit jugendlicher Menschen. Die entsprechende These ist umstritten.

(Source: Freepik/Freepik.com)
(Source: Freepik/Freepik.com)

Wie gesund sind Handys für Teenager? An vielen Schulen dürfte diese Frage an sich nicht neu sein. Doch einige Bildungsinstitute haben offenbar in letzter Zeit ihre Haltung dazu überdacht. Namentlich nennt "Watson" Schulen in den Aargauer Orten Baden, Neuenhof oder Frick. Sie führen zum Start des neuen Schuljahres komplette oder teilweise Verbote von smarten Geräten ein. Schülerinnen und Schüler müssen dabei die Geräte nicht nur ausschalten, sondern sollen diese gar nicht erst auf sich tragen, heisst es unter Berufung auf die Hausordnungen.

Auch die Politik ist aktiv. Laut Watson sind etwa in Solothurn und Basel-Stadt Vorstösse zu kantonalen Handyverboten an Volksschulen hängig. Bereits länger sind Smartphones etwa an den Sekundarschulen im Thurgauischen Arbon oder im Basellandschaftlichen Muttenz verboten.

Der Bestsellerautor und seine Kritiker

Die restriktiveren Regeln von Smartphones und Co. begründet die Schule in Baden in einem von Watson zitierten Brief einerseits mit dem "Bild von Hunderten Schülerinnen und Schülern, die trotz alternativem Angebot (…) an ihren Handys waren". Doch die Schulleitung beruft sich auch auf wissenschaftliche Studien und findet: "Die Anforderung, dass Jugendliche ihren Handykonsum selbstständig regulieren können, war zu hoch".

Eine ganze Menge solcher wissenschaftlicher Studien präsentiert Autor Jonathan Haidt in seinem Bestseller "The Anxious Generation" ("Generation Angst"). Darin weist er etwa einen Zusammenhang zwischen dem Aufkommen moderner Handys und der Zunahme von Angstzuständen oder Depressionen unter Jugendlichen Menschen nach. Mit der Popularität von Smartphones hätten auch Einsamkeit, Schlafmangel, Vergleichswahn und Konzentrationsschwierigkeiten bei jungen Menschen zugenommen.

Doch Haidt und seine Thesen bleiben nicht ohne Widerspruch. In einem Artikel auf "Plattformer" finden sich etwa Zitate der Forscherin Candice Odgers. Die Behauptung, dass digitale Technologien die Gehirne jugendlicher Menschen veränderten und so eine "Epidemie psychischer Erkrankungen" verursachten, werde wissenschaftlich nicht gestützt, sagt sie. "Schlimmer noch: Die kühne Behauptung, dass die sozialen Medien daran schuld sind, könnte uns davon ablenken, die wahren Ursachen der aktuellen Krise der psychischen Gesundheit junger Menschen wirksam zu bekämpfen."

Andrew Przybylski, Professor für menschliches Verhalten und Technologie an der Universität Oxford, vermutet, Haidt habe seine Evidenz mehr nach Quantität statt Qualität zusammengestellt. Aber: "Es spielt keine Rolle, ob es 19 Studien in die eine und drei in die andere Richtung gibt, wenn diese drei Studien gut gemacht sind und eine grosse Anzahl von Teilnehmern haben", zitiert ihn das Magazin.

Des Weiteren vermutet Przybylski einen Hang dazu, Untersuchungsergebnisse im schlechtestmöglichen Licht zu präsentieren. Konkret prüfte er die von Haidt zitierten Studienergebnisse zur Bildschirmzeit nach und kommentiert: "Die durchschnittliche Korrelation zwischen Bildschirmzeit und Wohlbefinden entsprach der Korrelation zwischen dem Tragen einer Brille und dem Wohlbefinden - es könnte sich um einen Rundungsfehler handeln."

Das schlechte Gefühl

Haidts Forderungen lauten: "kein Smartphone bis zum 14. Geburtstag und keine sozialen Medien bis zum 16. Geburtstag", fasst Watson zusammen. Im, Platformer-Artikel findet Przybylski, für solche Forderungen gebe es keine wissenschaftliche Grundlagen – im Gegenteil: "Wenn man 14 Jahre alt wird und sein erstes Handy bekommt, geschieht nichts Magisches. Als Elternteil müssen Sie immer noch die schwierigen Gespräche mit Ihren Kindern über einen verantwortungsvollen Umgang führen, und ehrlich gesagt ist es einfacher, einen 10-Jährigen zu etwas zu bewegen als einen 14-Jährigen."

Die wissenschaftliche Faktenlage sei offensichtlich unklarer als von Haidt dargestellt, fasst Platformer-Autorin Zoë Schiffer ihre Erkenntnisse zusammen. Dennoch sei das schlechte Gefühl, das viele Menschen beim Nutzen ihrer Smartphones empfinden, Ernst zu nehmen.

Haidt selber findet, es sei gefährlicher, untätig zu bleiben als jetzt zu handeln: "Wenn man auf die Alarmrufer hört und sich später herausstellt, dass wir falsch lagen, sind die Kosten minimal und reversibel. Wenn man aber auf die Skeptiker hört und sich später herausstellt, dass sie sich irrten, sind die Kosten viel höher und schwerer umkehrbar", schreibt er auf seiner Website.

2023 nutzten neun von zehn Personen in der Schweiz das Internet täglich. Mit dieser weiten Verbreitung des Internets ist die Bevölkerung vermehrt problematischen Inhalten ausgesetzt. Besonders problematisch ist die mangelnde Kompetenz, solche Inhalte zu erkennen, wie Sie hier lesen können.

 

 

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