Das SMFS im Zeichen von künstlicher Intelligenz und – Didier Cuche
Zum Service Management Forum Schweiz 2024 hat Veranstalter und Glenfis-Gründer Martin Andenmatten wieder ein spannendes Line-up an Referentinnen und Referenten geboten. Der Fokus der Veranstaltung lag auf den Veränderungen im Service-Management durch KI und den daraus resultierenden Herausforderungen für IT-Organisationen.
Das diesjährige Service Management Forum Schweiz (SMFS) hat am 24. Oktober im Radisson Blu am Flughafen in Zürich einmal mehr einen vertieften Blick auf die Disziplin des IT-Service-Managements geworfen. Das Thema dieser Ausgabe lautete "Menschliche Kreativität trifft maschinelle Effizienz - wie künstliche Intelligenz das Service Management neu definiert!". Den Informations- und Netzwerk-Event eröffnete SMFS-Präsident und Glenfis-Gründer Martin Andenmatten und er betonte die kontinuierlich wachsende Bedeutung des Service-Managements in modernen IT-Organisationen. "Alles, was wir heute tun, ist ein Service", rief Andenmatten ins Publikum, "das Management dieser Services ist zur Kerndisziplin jeder Organisation geworden".
SMFS-Präsident und Glenfis-Gründer Martin Andenmatten eröffnete das SMFS 2024. (Source: zVg)
Besonderes Augenmerk legte Andenmatten auf die Herausforderungen, die durch die immer stärker werdende Integration von Partnern und neuen Technologien, wie künstlicher Intelligenz (KI), entstehen. "Service-Management ist nicht mehr nur das Bearbeiten von Incident-Tickets, sondern bildet heute das gesamte Betriebsmodell ab", sagte er. Die steigenden Anforderungen des Business und der technologische Fortschritt, insbesondere in Bezug auf KI, würden diese Disziplin komplexer denn je machen. Service erbringen sei immer eine Gratwanderung, sagte der passionierte Bergsteiger Andenmatten, "im Service-Management gilt es, Qualität, Kosten und Flexibilität zu meistern".
"KI – der Weg vom Labor zum praktischen Nutzen"
Nach der Begrüssung startete der Referatereigen mit Reinhard Riedl, Professor am Institut Digital Technology Management der Berner Fachhochschule. Riedl betonte in seiner Keynote mit dem Titel "KI – der Weg vom Labor zum praktischen Nutzen" die zentrale Rolle des IT-Service-Managements bei der Einführung von KI im Unternehmen. Dabei sei KI nicht nur ein Werkzeug, das Organisationen bei der Einführung unterstützen könne, sondern auch ein Mittel, um die eigene Effizienz innerhalb des IT-Service-Managements zu steigern. Durch Experimente im eigenen Tätigkeitsbereich könnten IT-Abteilungen besser verstehen, welche Herausforderungen bei der Integration von KI auftreten. Das erfordere Kreativität und eine gewisse Risikobereitschaft.
Reinhard Riedl, Professor am Institut Digital Technology Management der Berner Fachhochschule, skizzierte in seiner Keynote den Weg von KI "vom Labor zum praktischen Nutzen". (Source: zVg)
Trotz zahlreicher erfolgreicher KI-Projekte, die bereits seit über zehn Jahren in der Praxis eingesetzt werden, herrsche aber häufig Frustration unter den Anwendern. Riedl führte dies auf eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen, die durch spektakuläre Erfolge in der Forschung geweckt werden, und den praktischen Schwierigkeiten bei der Implementierung im Unternehmenskontext zurück.
Ein Schlüssel zur erfolgreichen Einführung von KI sei das Verständnis der verschiedenen Formen des maschinellen Lernens. Riedl stellte die drei Grundtypen vor: überwacht, unüberwacht und verstärkend. Insbesondere das unüberwachte Lernen spiele in der Praxis eine wichtige Rolle, da es ermöglicht, Daten zu analysieren und Muster zu erkennen.
Ein weiteres zentrales Thema seiner Keynote war die Mensch-Maschine-Kooperation. Riedl erläuterte, dass der Erfolg von KI-Projekten stark von der richtigen Gestaltung dieser Zusammenarbeit abhänge. Besonders in Bereichen wie der medizinischen Bildanalyse habe sich gezeigt, dass die Kombination aus menschlichem Expertenwissen und maschineller Unterstützung die besten Ergebnisse liefere. Die Maschine diene als Vorbereitungstool, während der Mensch die finale Entscheidung treffe. Ein häufiger Fehler sei es hingegen, die Rolle von Mensch und Maschine zu vertauschen, was zu ineffizienten Prozessen führe.
Riedl warnte davor, KI-Projekte lediglich als technologische Herausforderungen zu betrachten. Es sei von entscheidender Bedeutung, die Arbeitspraktiken und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und Stakeholdern zu verändern, um den Erfolg solcher Projekte sicherzustellen. Dies umfasse auch das Monitoring und die kontinuierliche Verbesserung der KI-Lösungen sowie die Schulung der Mitarbeiter.
"Rechaining Prometheus: Using AI to Reinvent IT Governance"
James Finister eröffnete seinen Vortrag mit einem kritischen Blick auf die Rolle von KI in Unternehmen und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen. Finister, der sich als "KI-Ethiker" bezeichnet, machte deutlich, dass viele der aktuellen Probleme rund um KI nicht auf neue ethische Fragestellungen zurückzuführen sind, sondern vielmehr darauf, dass es bislang keine systematische Herangehensweise an IT-Governance und Ethik gegeben habe. Unternehmen, sagte Finister, hätten in der Vergangenheit KI-Technologien oft eingeführt, ohne ausreichende Governance-Strukturen zu schaffen.
James Finister warf in seinem Vortrag einen kritischen Blick auf die Rolle von KI in Unternehmen und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen. (Source: zVg)
"Die KI, die eure CEOs zum Erfolg führen könnte, ist wahrscheinlich bereits in eurer Organisation, und ihr wisst es vielleicht nicht einmal", sagte Finister und warnte davor, KI ohne ausreichend Kontrolle zu nutzen. Im Bereich des IT-Service-Managements seien Unternehmen oft frühe Anwender von KI-Lösungen wie etwa automatisierten Chatbots gewesen. Dies biete eine Chance, da ITSM-Abteilungen aufgrund ihrer Vorreiterrolle auch die Governance über den KI-Einsatz in der gesamten Organisation mitgestalten könnten.
Ein zentrales Thema seines Vortrags war die Bedeutung von Vertrauen und Transparenz in Bezug auf KI. Finister führte aus, dass Unternehmen sicherstellen müssten, dass ihre KI-Systeme vertrauenswürdig sind und keine Fehler machen, die zu ernsthaften Konsequenzen führen könnten. Ein Problem, das er ansprach, sind die bekannten "Halluzinationen" von KI-Systemen. Wenn sich Unternehmen auf solche falschen oder irreführenden Informationen verlassen, könnte es besonders gefährlich werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Inklusivität und Diversität bei der Nutzung von KI. Finister hob hervor, dass KI-Systeme bestimmte gesellschaftliche Gruppen ausschliessen oder benachteiligen könnten. Dies sei besonders kritisch bei Anwendungen wie Chatbots oder virtuellen Assistenten, die für den Kundendienst eingesetzt werden. Er forderte die Unternehmen auf, sicherzustellen, dass ihre KI-Systeme alle Nutzer gleich behandeln und marginalisierte Gruppen nicht diskriminieren würden.
Finister betonte auch die Notwendigkeit, bei der Implementierung von KI auf eine klare ethische Richtlinie zu achten. Diese müsse jedoch flexibel genug sein, um kulturelle Unterschiede in verschiedenen Ländern und Regionen zu berücksichtigen. Er sprach sich dagegen aus, eine starre, universelle Ethik für den KI-Einsatz zu schaffen, da dies den unterschiedlichen Bedürfnissen und Werten der Nutzer nicht gerecht werden könne.
In Bezug auf die Verantwortlichkeit für KI-Lösungen stellte Finister klar, dass Unternehmen die Verantwortung für die von ihnen eingesetzten KI-Systeme übernehmen müssen. Es sei keine Option, Fehler der KI zuzuschreiben und sich damit aus der Verantwortung zu stehlen. "Wir haben die KI eingeführt, wir müssen dafür verantwortlich sein", sagte Finister. Er wies darauf hin, dass eine schlechte Implementierung von KI nicht nur rechtliche Konsequenzen für das Unternehmen und seine Führungskräfte haben könne, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Investoren gefährde.
Mit einem abschliessenden Appell ging Finister auf die schnellen Entwicklungen im Bereich der KI-Standards ein. In den letzten Jahren seien zahlreiche internationale Standards veröffentlicht worden, die sich mit der Governance und Ethik von KI beschäftigen würden. Er empfahl dem Publikum, sich mit diesen Standards vertraut zu machen und sie in ihren Organisationen anzuwenden, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand der Technik sind und die rechtlichen Anforderungen erfüllen.
"Generative KI: Use Cases entlang des Service Managements"
Nina Habicht, Co-Founder und CEO von VoiceTechHub, stellte in ihrem Vortrag "Generative KI: Use Cases entlang des Service Managements" verschiedene Anwendungsfelder für generative KI im Bereich des Service Managements vor. Sie hob hervor, dass der Einfluss von generativer KI auf Unternehmen weit über die reine Kosteneinsparung hinausgehe. Firmen, die frühzeitig KI einsetzen würden, könnten ihre Prozesse effizienter gestalten und dadurch Wettbewerbsvorteile erzielen. Abgesehen von der Kostensenkung durch Automatisierung sieht sie als weitere wesentliche Dimension die Möglichkeit, auf Basis von KI neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. KI könne es selbst kleinen Firmen ermöglichen, auf Augenhöhe mit grossen Unternehmen zu konkurrieren, indem sie bestimmte Prozesse automatisieren und so ihre Effizienz steigern.
Nina Habicht stellte in ihrem Vortrag verschiedene Anwendungsfelder für generative KI im Bereich des Service Managements vor. (Source: zVg)
Generative KI sei nicht nur ein Werkzeug, um bestehende Daten zu analysieren, sondern auch, um neue Daten zu generieren. Diese Fähigkeit zur Datenproduktion hat laut Habicht das Potenzial, viele traditionelle Methoden der künstlichen Intelligenz, wie das überwachte und unüberwachte Lernen, erheblich zu verbessern.
Ein besonderes Augenmerk legte Habicht auf den Einsatz von KI im Bereich der Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP) und schilderte ihre Erfahrungen bei der Entwicklung von Sprachassistenten, die teilweise mehrere Jahre Training und Anpassung erforderten. Dank neuer KI-Technologien, insbesondere generativer KI, könne der Entwicklungsprozess solcher Lösungen mittlerweile erheblich beschleunigt werden. Was früher Jahre dauerte, sei heute in wenigen Monaten umsetzbar.
Habicht ging auch auf die Effizienzsteigerungen durch den Einsatz von KI ein. Studien und eigene Erfahrungen zeigten, dass KI-Anwendungen in Bereichen wie dem Kundenservice Effizienzgewinne zwischen 10 und 30 Prozent, in einigen Fällen sogar bis zu 80 Prozent, erzielen könnten. Insbesondere im Bereich der Service Automation sei das Potenzial gross.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ihres Vortrags war die sogenannte "Knowledge Base" – der Bereich, in dem Unternehmen ihre gesammelten Daten nutzen, um den Zugang zu Informationen für Mitarbeitende zu erleichtern. Viele Mitarbeiter verbrächten einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit damit, nach Informationen zu suchen. KI-basierte Systeme könnten hier Abhilfe schaffen, indem sie den Zugang zu relevanten Daten automatisieren und damit sowohl Zeit sparen als auch das Risiko von Wissensverlust verringern. Allerdings warnte Habicht, dass der Erfolg solcher Systeme stark von der Qualität der zugrunde liegenden Daten abhänge. Eine schlecht strukturierte oder unzureichend gepflegte Datenbasis könne dazu führen, dass KI-Systeme falsche oder ungenaue Antworten liefern würden.
Im Kontext des Service Managements stellte Habicht verschiedene Anwendungsfälle vor, wie etwa die Unterstützung bei Strategieplanungen oder die Optimierung von Daten. Besonders betonte sie die Bedeutung von Tools wie Chatbots, die bereits in vielen Unternehmen eingesetzt werden. Sie wies jedoch darauf hin, dass Chatbots in der Praxis oft komplexer seien als angenommen und dass ihre Implementierung und Wartung erhebliche Herausforderungen mit sich bringen könnten, insbesondere in Bezug auf Sicherheit und Datenintegrität.
Zum Abschluss ihres Vortrags sprach Habicht über die zukünftigen Entwicklungen im Bereich der KI. Sie hob insbesondere die aufkommende Technologie der agentischen KI hervor – Systeme, bei denen KI-Agenten eigenständig Aufgaben übernehmen und Entscheidungen treffen können, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Obwohl diese Technologie noch in den Kinderschuhen stecke, werde sie in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen.
"Transforming ITSM by leveraging AIOps"
Der Managing Director von Taubsolutions, Suresh GP, legte in seinem Vortrag dar, wie AIOps (Artificial Intelligence for IT Operations) das IT-Service-Management transformieren könnte. Suresh GP betonte, dass der Schlüssel in der Umstellung von einem reaktiven zu einem proaktiven und schliesslich prädiktiven Service-Management liege.
Im Kern geht es bei AIOps um die Automatisierung von IT-Prozessen und die Fähigkeit, Probleme nicht nur zu beheben, sondern diese vorherzusagen und automatisch zu lösen, bevor sie überhaupt zu einer Störung führen. Der Wandel von reinem Monitoring zu einem Konzept der "Observability", bei dem nicht nur Symptome erkannt, sondern die Ursachen tiefer analysiert würden, sei entscheidend.
Suresh GP legte in seinem Vortrag dar, wie AIOps das IT-Service-Management transformieren könnte. (Source: zVg)
Er verdeutlichte, dass viele IT-Abteilungen immer noch in einem reaktiven Modus arbeiten und dass Workarounds oft als Lösung betrachtet würden. AIOps könne dies jedoch ändern, indem es eine dauerhafte Behebung von Problemen ermöglicht und wiederkehrende Vorfälle langfristig reduziert. Dies sei nicht nur eine technologische, sondern auch eine kulturelle Herausforderung in Unternehmen.
Ein weiteres zentrales Thema in seinem Vortrag war die Bedeutung von Datenqualität. Suresh betonte, dass "Garbage in, garbage out" ein grundlegendes Problem sei – schlechte Daten führen zu schlechten Ergebnissen, und AIOps könne keine Wunder bewirken, wenn die Datenbasis nicht stimme. Er erläuterte den schrittweisen Prozess von der Datenaufnahme über die Analyse bis hin zur Automatisierung und Auto-Remediation, und wie wichtig es sei, diesen Prozess korrekt aufzubauen, um den vollen Nutzen aus AIOps zu ziehen. Er hob auch hervor, dass AIOps-Tools nicht über Nacht eine vollständige Transformation bewirken können, sondern dass ein langfristiger, methodischer Ansatz erforderlich sei, um die vollen Vorteile zu realisieren. Mit einem Einblick in praktische Anwendungsfälle, wie Unternehmen AIOps erfolgreich implementieren können, schloss Suresh GP seine Präsentation, bevor es in die Mittagspause ging.
Breakout Sessions und – Didier Cuche
Der Nachmittag des Service Management Forums bot ein vielfältiges Programm, das den Teilnehmenden tiefere Einblicke in spezifische Themenbereiche ermöglichte. Die Breakout-Sessions deckten Themen wie Agile Service Management, KI und DevOps ab. Parallel dazu fanden die World Coffee Sessions statt, die den Austausch und das Networking in Bereichen wie Business Relationship Management (BRM) und Organisational Transformation Management fördern sollten.
Didier Cuche vermochte am SMFS 2024 den Saal allein durch seine Anwesenheit zu füllen. (Source: zVg)
Ein besonderes Highlight des Nachmittagsprogramms war das Gastreferat des ehemaligen Schweizer Skichampions Didier Cuche. Der fünfmalige Gewinner der Abfahrt auf der berüchtigten Streif in Kitzbühel sprach über die Höhen und Tiefen seiner sportlichen Karriere. Mit seiner offenen und authentischen Art begeisterte er das Publikum, das nach einem intensiven Tag voller Fachvorträge sichtlich Energie tankte. Cuche thematisierte den Umgang mit Erfolg und Krisen und zeigte auf, wie seine sportlichen Erfahrungen auch für berufliche Herausforderungen wertvolle Lehren bieten können. Dank seiner inspirierenden Worte war der Saal kurz vor dem Ende der Veranstaltung und dem anschliessenden Apéro Riche wohl besser gefüllt als am Morgen während der Top-Level-Referate.
Das SMFS 2024 stand ganz im Zeichen von KI und deren praktischen Anwendung im IT-Service-Management. Die Mischung der Veranstaltung aus hochkarätigen Referaten, interaktiven Sessions und persönlichen Einblicken, wie jenen in die Karriere von Ski-As Didier Cuche, liessen das Forum gelingen – Veranstalter Martin Andenmatten zählte rund 200 Gäste.
Die nächste Durchführung des SMFS ist am 30. Oktober 2025 geplant.
Lesen Sie ausserdem im Bericht zum SMFS 2023, warum "deine IT ein Chaos" ist.