Swiss E-Government Forum

Blick in die GenAI-Labore öffentlicher Verwaltungen

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von René Jaun und jor

Der Bund, Kantone und Gemeinden experimentieren mit generativer künstlicher Intelligenz. Am zweiten Tag des Swiss E-Government Forums zeigten sie, welche Anwendungen dabei entstehen. Sie stellten aber auch viele noch offene Fragen, die sich nur gemeinsam beantworten lassen.

Peppino Giarritta (r.), Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz, am zweiten Tag des diesjährigen E-Government Forums. (Source: zVg)
Peppino Giarritta (r.), Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz, am zweiten Tag des diesjährigen E-Government Forums. (Source: zVg)

Alles auf generative KI! Der zweite Tag des Swiss E-Government Forums 2025 in Bern stand ganz im Zeichen der Trend-Technologie. Sie sei gekommen, um zu bleiben, und es gelte, ihr Potenzial auszuschöpfen, gaben sich die Referierenden auf der Bühne überzeugt.

Was alles geht

Das Thema generative KI packen Verwaltungen sehr praktisch an. "Städte sind bereits Testlabore für KI-Anwendungen", hielt Monika Litscher, Direktorin des Schweizerischen Städteverbands, in ihrem Grusswort fest. Auf städtischer Ebene liessen sich Projekte ressourcenschonend und auf kleinen Räumlichkeiten testen, bevor sie grossflächig ausgerollt werden. 

Das generative KI in Verwaltungen tatsächlich kein theoretisches Konstrukt ist, untermauerten die Referierenden im Verlauf des Tages mit praktischen Demos – von kleinen Spielereien bis ausgereiften Beispielen. Für Lacher und Staunen sorgten etwa KI-generierte Gedichte und Musikstücke sowie Deepfakes der US-Milliardäre Marc Zuckerberg und Sam Altman, die das Publikum begrüssten und die Stadt Winterthur für ihre KI-Innovationen lobten. Dass die KI-Inhalte immer mehr jenen ähneln, die echte Menschen erstellen, ist inzwischen auch wissenschaftlich nachweisbar, wie Clemens Ammann, Dozent an der Berner Fachhochschule (BFH), anhand aktueller Studien belegte. Generative KI sei sehr stark in bestimmten Aufgaben und könne "teilweise den durchschnittlichen Menschen übertreffen", fasste Ammann zusammen. Die Technologie könne Menschen bei der Entscheidungsfindung unterstützen, eine Zweitmeinung zu Fragen formulieren, aber vor allem auch ihre Kreativität fördern.

Ganz praktisch setzen Verwaltungen generative KI etwa in Form von Chatbots ein, die Fragen aus der Bevölkerung beantworten und damit mühsames Suchen ersparen. "Alva" heisst die entsprechende Anwendung im Kanton Basel-Stadt. Für die dortige Verwaltung kam der KI-Boom zur rechten Zeit. Man arbeitete dort gerade am Relaunch der Website, erklärte Micha Jäggi, Gesamtverantwortlicher www.bs.ch. "Wir führten ein neues CMS mit neuem Design ein und migrierten keinen alten Content", führte er weiter aus. Alle Inhalte auf der neuen Website waren somit aktuell, gut strukturiert und somit eine ideale Datengrundlage für eine künstliche Intelligenz. Den Chatbot, der seit Sommer 2024 online ist, setzte der Kanton mit der Webagentur Liip um, die schon länger solche Projekte anbietet.

Die Stadt Winterthur bietet einen ähnlichen Chatbot noch nicht öffentlich an. "Wir schauen neidisch auf Basel-Stadt", sagte Winterthurs Digital Officer Christoph Zech mit einem leisen Schmunzeln dazu. Bis "WintiGPT" freigegeben werde, gelte es, noch ein paar Fragen zum Datenschutz zu klären. Innerhalb der Stadtverwaltung ist aber beispielsweise der "Text Mate" verfügbar und äusserst beliebt, wie Zech anmerkte. Das Tool hilft beim Erstellen und optimieren von Texten. Es orientiert sich am sprachlichen Leitfaden der Verwaltung und stelle sicher, dass Texte den darin aufgeführten Regeln entsprechen. Text Mate läuft schon seit 9 Monaten. Er sei über 13'000 Mal genutzt worden. Die User hätten 88 Prozent seiner Vorschläge für "hilfreich" oder "sehr hilfreich" befunden; und 53 Prozent von ihnen gaben an, dank des KI-Tools 15 Minuten oder mehr Zeit eingespart zu haben.

Winterthur ergänzt diesen Bot mit weiteren Fachanwendungen. Dazu gehört das Tool "Sozialberatungs-GPT", das die Regeln und Merkblätter im Sozialbereich kennt, Fragen mit Quellenangaben beantwortet und gerade von neuen Mitarbeitenden geschätzt werde.

Ein Foto von Ka Schuppisser auf der Bühne des E-Government Forums 2025.

Catherine Ka Schuppisser, stv. Leiterin der Geschäftsstelle Digitale Verwaltung des Kantons Bern. (Source: zVg)

Im Kanton Bern wiederum protokolliert heute schon eine künstliche Intelligenz die Sitzungen des Grossen Rates, wie Ka Schuppisser, stv. Leiterin der Geschäftsstelle Digitale Verwaltung, ausführte. Das funktioniere auch in Mundart, fügte sie hinzu. Die von Schuppisser geleitete Arbeitsgruppe KI befasst sich unter anderem mit einem KI-Tool zum Anonymisieren von Dokumenten oder einem Wissens-Assistenten für die Verwaltung.

Was noch fehlt

Clemens Ammann nannte in seiner Präsentation noch ein paar weitere KI-Anwendungen von Verwaltungen im Ausland. Helsinki nutzt demnach die Technologie, um in der urbanen Stadtplanung schnell bestimmte Elemente zu visualisieren. In Island wiederum arbeitet eine Expertengruppe mit der ChaGPT-Entwicklerfirma OpenAI zusammen. Ziel ist es, die KI mit genügend Sprachdaten zu versorgen, damit ChatGPT und Co. auch auf Isländisch funktioniere und so zum Erhalt der Sprache beitrage. Und das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten wiederum setze KI-Technologie im Bereich der Beschaffungen ein mit dem Ziel, die komplexen Verfahren zu beschleunigen und abzusichern.

Ein Foto von Clemens Ammann von der BFH auf der Bühne des E-Government Forums 2025.

Clemens Ammann (r.), wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der Berner Fachhochschule. (Source: zVg)

Doch in Verwaltungen gibt nicht nur das Entwickeln von KI-Anwendungen zu Reden. Die neue Technologie wirft neue Fragen auf, die es zu beantworten gilt, wie die Referate zeigten. Dass öffentliche Verwaltungen weniger frei sind bei ihren KI-Experimenten als private Anbieter, brachte Ka Schuppisser vom Kanton Bern auf den Punkt: "Die Verwaltungen können nur Dinge tun, wenn dafür Rahmenbedingungen vorhanden sind. Dagegen darf die Privatwirtschaft alles tun - ausser, wenn es vorhandene Rahmenbedingungen verletzt."

Entsprechend befasst sich die Arbeitsgruppe KI des Kantons Bern auch mit Governance-Fragen. Zudem erteilte ihr der Regierungsrat unter anderem den Auftrag, aus dem KI-Leitbild des Kantons konkrete Leitlinien abzuleiten, die bei der praktischen Umsetzung von KI-Projekten wirklich helfen. Ganz praktisch sind auch die vom Kanton unlängst veröffentlichten Prompting-Tipps für die Verwaltung, die übrigens auch für alle anderen zum Download bereit stehen. Für die kommende Legislaturperiode (ab 2027) will die Gruppe eine KI-Strategie erarbeiten.

Das Regulieren von KI allerdings sollte nicht auf Ebene einzelner Kantone passieren, wie Schuppisser mehrfach betonte. Dies müsse national, besser noch international geschehen. In einer Podiumsdiskussion pflichtete ihr Christoph Zech aus Winterthur bei. Spezifisch nannte er offene Fragen im Bereich des Datenschutzes. Aktuell versuchten alle Kantone und Gemeinden, diese für sich zu beantworten. "Ist das wirklich der effizienteste Weg?", fragte der Digital Officer rhetorisch.

Auch in Sachen technischer Ressourcen plädierten die Diskutierenden für Zusammenarbeit: Gehe es etwa um den Betrieb eines sicheren, lokalen Sprachmodells oder gar um bestimmte Anwendungsszenarien öffentlicher Verwaltungen, "sitzen wir alle im gleichen Boot und haben die gleichen Fragestellungen", befand Zech. Nicht nur erwähnte er dabei die KI-Anwendung "Gov-GPT", die der Bund seit November 2024 testet. Würde man eine gemeinsame KI-Infrastruktur für alle hiesigen Verwaltungen schaffen, wäre vielen gedient, zeigten sich die Diskutierenden überzeugt.

Thomas Nagy vom Kanton Basel-Stadt äusserte sich zuversichtlich: Es fänden bereits Gespräche statt und "es ist kein riesiger Schritt mehr, konkrete Sachen zusammen zu machen". Gefördert werde die Zusammenarbeit auch durch das 2024 in Kraft getretene E-Gov-Gesetz und dessen Regelungen im Bereich quelloffener Software.

Mit Gipfeli auf Promo-Tour

Wichtiger als Infrastruktur, Anwendungen und Regelungen sind die Menschen – auch dies machten fast alle Referierenden deutlich. Nina Gammenthaler, Unternehmensarchitektin und Fachexpertin bei der Bundeskanzlei, stellte die erst kürzlich vom Bundesrat verabschiedeten Grundsätze für KI in der Bundesverwaltung vor. Die Menschenzentriertheit bildet darin eines der wichtigesten Prinzipien, sagte sie. Dazu gehören etwa klar definierte Verantwortlichkeiten. Eines der drei Handlungsfelder, in das sich die 12 definierten Ziele aufgliedern, ist dem Aufbau von Kompetenzen gewidmet, es umfasse Themen von Weiterbildung bis zum Umgang mit Kulturwandel, erklärte die Referentin.

Ein Foto von Nina Gammenthaler von der Bundeskanzlei auf der Bühne des E-Government Forums 2025.

Nina Gammenthaler, Unternehmensarchitektin und Fachexpertin bei der Bundeskanzlei. (Source: zVg)

Die menschliche Komponente war auch aus dem Referat von Peppino Giarritta, dem Beauftragten von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz, herauszuhören. Er zitierte aus der ebenfalls am Forum vorgestellten Nationalen E-Government-Studie. Als Grund dafür, warum sie vorhandene E-Gov-Services nicht nutzten, sagten viele Befragte, sie könnten diese Services nicht finden. "Für uns ist das eine Herausforderung, die wir schon länger überbrücken müssen", kommentierte  Giarritta.

Abhilfe schaffen wollen Verwaltungen, indem sie die Vision eines "One-Stop-Governments" realisieren. Die Digitale Verwaltung Schweiz arbeitet aktuell an entsprechenden Plänen. Gute Beispiele gebe es bereits, sagte Giarritta. So integrieren einige Kantone auf ihren Plattformen auch kommunale Services. Auch das schweizweite Behörden-Login Agov und die elektronische Identität (E-ID) sollen zur Verwirklichung der Vision beitragen.

Ein Foto von Peppino Giarritta auf der Bühne des E-Government Forums 2025.

Peppino Giarritta, Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz. (Source: zVg)

Doch wie motiviert man Mitarbeitende in der Verwaltung für neue Anwendungen – oder noch breiter: für die Digitalisierung im Allgemeinen? Diese Frage treibt Flurina Valsecchi um. Sie ist Koordinatorin digitale Transformation und stv. Leiterin Stabsstelle Digitale Verwaltung im Kanton Graubünden und ist direkt involviert bei der Umsetzung der noch jungen Digitalstrategie, die der Kanton am E-Government-Forum 2024 vorstellte. "Digitalisierung ist eine Teamdisziplin", sagte die Referentin. Kommunikation sei ein wichtiger Treiber für die digitale Transformation. "Kommunikation kostet auch nicht so viel", fügte sie hinzu. Diese Kommunikation, egal um welche Art Projekt es gehe, bestehe immer aus den gleichen Teilen:

  • Die Grundlage bilden die klaren Fakten.

  • Nur wenn die Fakten bekannt sind, lässt sich der Sinn verstehen.

  • Und wer den Sinn versteht, ist auch bereit und offen, etwas zu lernen.

  • Hat man etwas gelernt, kann man es einsetzen, anstatt es in einer Schublade zu vergessen.

Ein Foto von Flurina Valsecchi auf der Bühne des E-Government Forums 2025.

Flurina Valsecchi, Koordinatorin digitale Transformation und stv. Leiterin der Stabsstelle Digitale Verwaltung im Kanton Graubünden. (Source: zVg)

Kommunikation gehörte denn auch zu den ersten Massnahmen, die Valsecchi und ihr Team bei der Umsetzung der Digitalstrategie anpackten. Dabei fokussierten sie auf eine Kernfrage: "Wie können wir dich unterstützen?" Ihre Angebote kommunizierte das Team zunächst auf einer sehr einfachen Sharepoint-Seite. Dann gingen sie "raus zu den Leuten": Bei diversen Anlässen traten Mitglieder des Teams auf, um ihre Message zu platzieren. Besonders gut funktioniert habe dann aber die "Kafipausa", verriet Valsecchi. Das Angebot war simpel: "Wer Lust hat, egal in welcher Behörde oder auf welcher Hierarchiestufe: Wir kommen in dein Büro, essen ein Gipfeli, präsentieren die Strategie und Unterstützungsmöglichkeiten und nehmen uns Zeit für Fragen."

Für Valsecchi und ihre Abteilung lohnten sich diese Treffen mehrfach: Man spüre den Puls der Leute sehr gut, gerade dank des kleineren Rahmens. "In grossen Runden zeigt uns niemand, wo es harzt", so die Referentin. Da das Angebot freiwillig war, meldeten sich auch nur "die, die wollen. Für uns sind das wichtige Botschafterinnen und Botschafter", und es lohne sich, diese für die weitere Umsetzung der Strategie zu kennen. Die Gipfeli-Pausen machten Lust auf mehr, sagte die Referentin, bemerkte aber auch lachend, für das Angebot sei es "gut, wenn man ein Fahrrad hat".

 

Die Frage, ob Digitalisierung im Widerspruch zu Vertrauen steht, hat sich wie ein roter Faden durch den ersten Tag des Swiss E-Government Forums gezogen. Sei es beim Einsatz von KI in der Verwaltung oder bei der Einführung der E-ID – Hier lesen Sie, wie der Bund digitale Lösungen schafft, die sicher sind und einen Nutzen stiften.

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