Kolumne

Wie man die Digital Proficiency fördert

Uhr | Aktualisiert
von Peter Hogenkamp

In meiner letzten Wild Card schrieb ich darüber, dass vielen Organisationen aufgrund veralteter IT die "Digital Proficiency" fehlt – eine natürliche Vertrautheit der Mitarbeitenden mit Technologie. Heute ein paar Ideen und ­Beispiele, wie man diese fördern kann.

Peter Hogenkamp ist CEO des Start-ups Newscron. (Quelle: Netzmedien)
Peter Hogenkamp ist CEO des Start-ups Newscron. (Quelle: Netzmedien)

Vorab: Ich versuche stets, mir holzschnittartiges Denken zu verbieten. Google = innovativ / Microsoft = altbacken, Apple = schick / Windows = uncool, Cloud = innovativ / interne IT = böse Verhinderer – natürlich ist das zu simpel. Oft ist gar nicht die Software an sich das Problem, sondern nur ihr Alter. Der einfachste Weg wäre also, stets aktuelle Software einzusetzen. Dem steht oft die interne IT-Abteilung entgegen, die drei Argumente ins Feld führt: 1. Kosten. 2. Sicherheit. 3. Datenschutz. Alle drei sind im Prinzip berechtigt. Aber auch brandgefährlich, wo sie systematisch als Killerargument gegen Innovation ins Feld geführt werden.

Spätestens hier fällt auf, dass die eingangs genannten Merkmale keineswegs unabhängig voneinander existieren. Wer etwa in der Cloud arbeitet, nutzt automatisch immer aktuelle Software, während der Serverpark im Keller fast zwangsläufig zu langen Update-Zyklen führt. Dabei sind auch Big-Bang-Projekte zur Modernisierung durchaus machbar: Ringier führte 2010 Google Apps statt Exchange/Outlook ein. Tamedia zog nach dem Insourcing der eigenen IT 2015/16 nach. Dies auch für die angestrebte "Führerschaft im digitalen Markt, was auch die internen Arbeitsweisen und Prozesse betreffe". Auch wenn jeder weiss, dass bei Tamedia vor allem die Kosten entscheiden: Dass auch die interne Arbeitsweise wichtig für die Kultur ist, ist richtig gedacht.

Der grösste deutsche Verlag Axel Springer, sehr erfolgreich in diversen digitalen Engagements, gab 2008 bekannt, alle Arbeitsplätze auf Macs migrieren zu wollen. Die Begründung von CEO Mathias Döpfner las sich wie ein Werbespot: "Apple steht für Kreativität, Innovation, Ästhetik und Kompetenz. Die Umstellung ist nicht nur ein technologischer Fortschritt, sondern Beschleuniger der kulturellen Modernisierung im Unternehmen." Einige Jahre später war dann nicht mehr alles Minne, als Döpfner den Walled Garden von iOS und die Einflussnahme von Apple sogar auf Inhalte beklagte. Keine Liebe hält ewig. Trotzdem war die Botschaft bei den Mitarbeitenden wohl angekommen: Ein neues Arbeitsgerät fällt mehr auf als blumige Worte.

Doch es muss nicht immer gleich die Systemumstellung sein, auch mit symbolischem Management lässt sich einiges erreichen: Um zu dokumentieren, wie wichtig die mobile Nutzung sei, sperrte die "New York Times" im Frühling 2015 eine Woche lang ihren Mitarbeitenden den Desktop-Zugang, sodass sie ihre publizierten Artikel nur auf dem Smartphone anschauen konnten.

Facebook lancierte letzten Herbst die "2G Tuesday" (müsste hierzulande "EDGE Dienstag" heissen), an denen das mobile Internet so gedrosselt wurde, als hätte man kein 3G oder 4G – wie in einem Entwicklungsland wie Indien. Ziel war es, Facebook benutzerfreundlicher für sehr langsame Verbindungen zu machen. Ähnliche Beispiele aus der Schweiz scheinen rar gesät, ein Rundruf brachte keine nennenswerten zutage.

Grosse Umbrüche wie auch überschaubare, symbolhafte Gesten können nur gelingen, wenn in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat Personen mit einem fundierten Verständnis für IT sitzen, die die Argumentation der internen Informatik kritisch hinterfragen können. Ist es wirklich nicht möglich, Schritt zu halten mit dem zugegeben schnellen Takt der Consumer-IT? Oder fühlt sich der IT-Leiter einfach nur sicherer, wenn er seine Serverfarm managt wie eh und je? Die Digital Proficiency zu fördern ist am Ende eine unübertragbare Aufgabe des Top-Managements.

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