"Wild Card" von Rino Borini

Die Internetwelt von morgen sieht anders aus

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Das World Wide Web hat im Laufe seiner Geschichte mehrere Übergänge durchlaufen und entwickelt sich bis heute weiter. Wir erleben gerade das Ende der zweiten Generation des Internets und sind auf dem Weg ins Web 3.0 – das dezentrale Internet.

Das Web 1.0 ist Ende der 1980er-Jahre aufgekommen und bestand aus nicht viel mehr als einfachen, statischen Seiten, die der Formatierung einer gedruckten Seite ähnelten. Die User konnten damals lediglich die bereitgestellten Informationen konsumieren.

In der nächsten Evolutionsstufe wurde das Internet zum "Mitmach-Internet". Diese Phase leitete eine Ära ein, in der sich das Web als neues Medium definierte. Blogs und Youtube-Videos sprossen wie Pilze aus dem Boden, Vergleichsplattformen mit Nutzerbewertungen entstanden und Kommentarfunktionen bei Newsportalen trieben den Traffic zusätzlich in die Höhe. Dieses Internet – das Web 2.0 – prägt bis heute unsere digitale Landschaft. Übrigens ist das Internet "mobil", denn der weltweite Traffic wird von den Smartphones dominiert. Blickt man auf eine der grössten Schwachstellen des heutigen Internets, dann liegt diese in der Zentralisierung. Heute teilen sich die Bigtechs einen Milliarden-Nutzer-Markt und sammeln Nutzerdaten à gogo. Doch diese Zeit neigt sich dem Ende zu. Wir befinden uns am Übergang zum Web 3.0. Schon heute stehen ganz neue dezentrale Dienstleistungen zur Verfügung, die ohne Vermittler auskommen. Ebenso spriessen DAOs (dezentrale autonome Organisationen) aus dem Boden, die komplett anders organisiert sind als traditionelle Unternehmen.

Der Ursprung dieser Entwicklungen liegt in der Krypto-­Community. Bitcoin hat vorgemacht, was viele Akteure im Web 3.0 erreichen wollen: Vermittler überflüssig werden lassen und auf eine Dezentralität setzen. Und eigentlich ist Bitcoin die erste vollständig funktionsfähige DAO. Denn es hat klare, vorprogrammierte Regeln, funktioniert autonom ohne irgendwelche hierarchischen Strukturen und es wird über ein dezentrales Konsens-Protokoll koordiniert.

Mit der Entstehung von Ethereum im Jahr 2014 und dem Einsatz von Smart Contracts (also intelligente Programmierprogramme) sind in den vergangenen Jahren diverse dezentrale Anwendungen aufgekommen. Im Kunst- oder Musikbereich sind dies beispielsweise NFT, in der Bankenwelt sind es Finanzdienstleistungen, die ohne Vermittler auskommen, 24/7 genutzt werden können und keine nationalen Grenzen kennen.

Kritiker bemängeln, dass diese neuen Entwicklungen im Web 3.0 keine Überlebenschancen hätten. Sie kritisieren die Komplexität, die mangelnde Benutzerfreundlichkeit oder den fehlenden Rechtsrahmen und vergleichen dies oft mit dem Internet für Kriminelle. Das alles war im Jahr 8 des Internets aber auch so. Das war die Zeit, in der wir uns mit Modem und Festnetztelefon ins Internet einwählten und Stunden damit verbrachen, ein paar Songs herunterzuladen. Das Web 3.0 steht am Anfang der Entwicklung. Es gibt noch viele Unbekannte, wie das Web 3.0 letztlich aussehen wird. Wir werden vermutlich einen sanften Übergang vom Web 2.0 zum Web 3.0 erleben, den Endkonsumentinnen und -konsumenten kaum registrieren.

Das Einzige, was mit der Anfangsphase des Internets zu vergleichen ist: Es entstehen unglaublich spannende neue Geschäftsmöglichkeiten. Die Frage lautet nur: Möchte ich aktiv diese Zukunft mitgestalten oder darauf warten, dass es andere tun?

Webcode
DPF8_255918