Streit um Open-Source-Lösung "Openjustitia"
Der SVP ist die Open-Source-Lösung "Openjustitia" des Bundesgerichts in Lausanne ein Dorn im Auge. Sie will, dass der Bundesrat das Geschäftsmodell prüft. Dies freut Weblaw, einen Anbieter proprietärer Gerichtssoftware.
Das Bundesgericht steht unter Beschuss. Der Bundesrat soll prüfen, ob das Bundesgericht berechtigt ist, als Anbieter der Open-Source-Software "Openjustitia" aufzutreten und somit gerichtsfremde Dienstleistungen anzubieten. Dies will die SVP, wie unter anderem die Sonntagszeitung und die Tagesschau am Wochenende berichteten. Die Partei will demnach in der Wintersession eine Interpellation einreichen.
Grund für die Diskussion ist die in der Branche umstrittene Open-Source-Software selbst, die das Bundesgericht intern entwickelt hatte. Laut einem Entscheid der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats vor einem Jahr darf es die Lösung unter der Open Source Lizenz "GNU General Public License Version 3" veröffentlichen.
SVP und Weblaw gegen Openjustitia
Es sei "geradezu absurd", dass das Bundesgericht als Softwareanbieter auftrete, zitiert die Sonntagszeitung SVP-Generalsekretär Martin Baltisser. Erstens gebe es für das Bundesgericht kein übergeordnetes Interesse, als Softwareanbieter tätig zu sein, zweitens fehle offensichtlich die rechtliche Grundlage. Laut Verfassung und Finanzhaushaltgesetz dürfe der Staat nur dann gewerblich tätig sein, wenn es keine privaten Angebote gebe und ein Gesetz ihn dazu ermächtige, schreibt die Sonntagszeitung dazu. Dem widerspricht das Bundesgericht - es erbringe "keine gewerbliche Leistung". Denn als Open-Source-Projekt würde die Software unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Auch die Berner Firma "Weblaw", ein Anbieter von proprietärer Gerichtssoftware, wirft dem Bundesgericht vor, mit "Openjustitia" private Anbieter vom Markt zu verdrängen. Nun sieht sich Weblaw im Kampf gegen den Konkurrenten in Lausanne verstärkt. "Soll das Bundesgericht Recht sprechen oder Software realisieren?" heisst es auf der firmeneigenen Website, inkusive einer Aufforderung zur Teilnahme an der Diskussion auf Facebook.
Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit nimmt Stellung
Die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit hingegen stellt sich auf die Seite des Bundesgerichts und reicht eine Motion zur Unterstützung von "Openjustitia" ein. "Die Berichterstattungen in der Tagesschau und der Sonntagszeitung zeichnen ein unvollständiges Bild des Open Source Projekts", schreibt die Gruppe in einer Stellungnahme. Das Bundesgericht habe die Software vor mehreren Jahren für den Eigenbedarf entwickelt, weil auf dem Markt keine Alternative mit vergleichbarer Qualität verfügbar gewesen sei. Zudem biete das Bundesgericht keinerlei kommerzielle Leistungen für "Openjustitia" an.
Mit der Gründung der "Openjustitia"-Community ermutige das Bundesgericht vielmehr innovative Software-Firmen, Dienstleistungen für die Open Source Plattform "Openjustitia" anzubieten. Zudem sei es gang und gäbe, dass öffentliche Verwaltungen für den Eigenbedarf entwickelte Software unter Open-Source-Lizenzen veröffentlichen um gemeinsam Informatik-Kosten zu sparen. Dies entspreche dem Grundsatz "einmal entwickeln - mehrfach anwenden" der Schweizer E-Government Strategie.
Piratenpartei steht ebenfalls hinter dem Bundesgericht
Auch die Piratenpartei, Gründungsmitglied der Openjustitia-Community, stellt sich in einer Stellungnahme hinter das Bundesgericht. Mit "Openjustitia" sei das Bundesgericht Vorreiter für Open Source im Bereich der eidgenössischen Verwaltung. Die Piraten freuten sich über die Weitsichtigkeit des Bundesgerichtes, die im Sinne der Steuerzahler sei - sowohl finanziell im Sinne der Wirtschaftlichkeit und eines freien Marktes, wie auch im Sinne einer nachhaltigen Softwareentwicklung ohne Schaffung von Abhängigkeiten von einzelnen Unternehmen.
Die Piraten äussern sich zudem erstaunt über die Pläne der SVP, gegen "Openjustitia" vorzugehen.
"Es ist offensichtlich, dass hier hauptsächlich Bedenken Seitens der Firma Weblaw bestehen, die eine proprietäre Gerichtssoftware vertreibt und somit ihren Goldesel gefährdet sieht", sagt Pascal Gloor, Vizepräsident der Piratenpartei.