Operations- und Therapieroboter

Soll uns Robear pflegen?

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von Oliver Bendel, Philosoph und Wirtschaftsinformatiker, FHNW

Operations- und Therapieroboter sind weit verbreitet. Pflegeroboter werden auf der ganzen Welt in Forschungseinrichtungen, Krankenhäusern und Pflegeheimen erprobt. Vor einem regulären ­Einsatz sind diverse ethische Fragen aufzuwerfen und zu beantworten.

Robear (Source: RIKEN)
Robear (Source: RIKEN)

Die Pflege kann in Gesundheits- und Krankenpflege sowie Behindertenbetreuung und Altenpflege unterschieden werden. Sie umfasst entsprechend die Versorgung und Betreuung von kranken, behinderten, alten und sterbenden Menschen durch Gesundheits- und Krankenpfleger, Behindertenbetreuer oder Altenpfleger. Diese sollen Abwechslung schaffen, das Wohlbefinden und die Gesundheit fördern, Krankheiten verhüten oder bekämpfen sowie, nach der Vorstellung einiger Parteien und Patienten, den Tod hinauszögern. Dabei sollen die Interessen der Betroffenen ernst und wahrgenommen werden.

Aufgaben und Eigenschaften von Pflegerobotern

Pflegeroboter und Assistenzgeräte und -systeme für die Pflege bringen den Pflegebedürftigen benötigte Medikamente und Nahrungsmittel und helfen ihnen beim Hinlegen und Aufrichten und bei ihrem Umbetten. Sie unterhalten Patienten und verfügen über auditive und visuelle Schnittstellen zu menschlichen Pflegekräften. Manche haben natürlichsprachliche Fähigkeiten, wobei prinzipiell mehrere Sprachen beherrscht werden können, und sind in einem bestimmten Umfang lernfähig und intelligent. Vorteile sind durchgehende Einsetzbarkeit und gleichbleibende Qualität der Dienstleistung. Nachteile sind Kostenintensität und Ersatz zwischenmenschlicher Kontakte. Zudem existieren in der Praxis viele unterschiedliche Aufgaben, sodass eine Spezialisierung notwendig ist – oder aber eine hohe Komplexität.

Pflegeroboter sind im Moment noch mehrheitlich Prototypen. Frühe Entwicklungen sind HelpMate und Pearl, die Pflegekräften sekundieren. HelpMate transportiert Dinge, Pearl liefert nützliche Informationen und macht Patientenbesuche. JACO² 6 DOF von Kinova Robotics, unter dem Kurznamen JACO bekannt, kann Personen mit eingeschränkten Arm- und Handfunktionen helfen. Er besteht aus einem Arm und einer Hand mit drei Fingern, mit denen er sich von üblichen Kooperations- und Kollaborationsrobotern unterscheidet, die meist zwei Finger haben; gleichwohl steht er diesen sehr nahe, etwa was die Zahl der Achsen angeht. Care-O-bot vom Fraunhofer IPA kann Dinge holen und wegbringen und bewegt sich sicher unter Menschen und durch den Raum. Er hat generalistische Züge und wird auch auf Messen eingesetzt. Ganz ähnlich der TUG von Aethon: Er ist in der Lage, Medikamente und Materialien zu transportieren und mit dem Lift zu fahren; zudem hat er natürlichsprachliche Fähigkeiten. Der als wandelndes Infoterminal gestaltete HOBBIT aus einem EU-Projekt soll Senioren helfen, er soll das Sicherheitsgefühl stärken und vermag Gegenstände vom Boden aufzuheben. Cody aus dem College of Engineering des Georgia Institute of Technology kann bettlägerige Personen wenden und waschen. Robear (Vorgängerversionen RIBA und RIBA-II) von Riken, der aussieht wie ein freundlicher Bär, arbeitet im Tandem mit Pflegern und assistiert beim Tragen, Umbetten und Aufrichten von Patienten. TWENDY-ONE, ein humanoider Roboter mit zwei Händen mit jeweils vier Fingern vom Sugano Laboratory der Waseda University, unterstützt beim Sichaufrichten und bei Haushaltsarbeiten. Man sieht, dass in Deutschland, Asien und den USA mit Leidenschaft in dieser Richtung geforscht wird. Auch die Schweiz ist nicht untätig. F&P Personal Robotics mit Hauptsitz in Zürich hat vor einiger Zeit den Serviceroboter P-Rob präsentiert. Er ähnelt JACO, hat aber lediglich zwei Finger. Er ist unter anderem für den Gesundheitsbereich vorgesehen.

Fragen aus den Bereichsethiken

Die Bereichsethiken beziehen sich auf mehr oder weniger klar abgrenzbare Anwendungsgebiete. Sie sind sozusagen die Konkretisierungen und Operationalisierungen der angewandten Ethik. Aus Informations-, Technik-, Medizin-, Sexual- und Wirtschafts­ethik heraus können etwa folgende Fragen gestellt werden:

  • Wer trägt die Verantwortung bei einer fehlerhaften Betreuung und Versorgung durch die Maschine?

  • Kann der Roboter helfen, eine Scham zu verhindern, die man gegenüber Menschen hätte, oder kann er auch eine Scham auslösen, die man ansonsten nicht hätte?

  • Wie verfährt man mit Daten, die der Roboter sammelt und auswertet?

  • Ist der Roboter ein Konkurrent für Pflegekräfte und Krankenschwestern?

Chancen und Risiken des Einsatzes

Der Hersteller (respektive der Entwickler) muss, zusammen mit dem Krankenhaus, dem Pflegeheim beziehungsweise einer sonstigen Einrichtung, die Verantwortung tragen und die Haftung übernehmen. Allerdings kann er sich darauf berufen, dass die Effekte insgesamt positiv sein mögen, und darauf beharren, dass Einzelfälle mit negativen Implikationen in Kauf zu nehmen und zu verkraften seien. Bei Pflegerobotern gesellen sich zu psychischen Konsequenzen häufig physische. Robear bettet Patienten im Tandem um, wodurch Verletzungen weitgehend ausgeschlossen werden; dennoch können solche entstehen, sei es durch technisches, sei es durch menschliches Versagen. Entsprechend wird auch die Fachkraft zur Verantwortung zu ziehen sein, und sie muss sorgfältig auf die Kooperation mit der Maschine vorbereitet werden. Zudem sollte ein technischer Support vor Ort sein, der Hilfestellung bietet und Verantwortung übernimmt.

Was die Scham anbelangt, wurden in verschiedenen Untersuchungen erste Hinweise darauf gefunden, dass Roboter jene zu verringern imstande sind, etwa wenn es um Waschungen im Intimbereich geht. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang auch hilfreich, wenn der Roboter wie ein Bär aussieht. Die Scham könnte aber ebenso zunehmen, wenn sich die Patienten im Klaren darüber werden, dass persönliche Daten erhoben und sie womöglich sogar über die Kameras der Roboter von Menschen beobachtet werden, was aus Gründen der Sicherheit oder in missbräuchlicher Form geschehen mag. Insofern hängen diese beiden Fragen zusammen. Grundsätzlich können Pflegeroboter meist mehr Daten erheben und auswerten als Therapieroboter, weil sie oft mobiler sind, über mehr Sensoren und eine höhere Intelligenz verfügen.

Es sollte mit Blick auf den Einsatz von Pflegerobotern eine (Ergänzung zu einer) Patientenverfügung erstellt werden (was ebenso bei Therapierobotern angezeigt sein kann). In einem über www.informationsethik.net veröffentlichten Vorschlag des Autors ist zu lesen: «Ein teilautonomer Pflegeroboter kann Patienten umbetten und aufrichten sowie weitere Aufgaben übernehmen. Er arbeitet mit einem Pfleger im Tandem. Es liegen unterschiedliche Prototypen vor, etwa Robear. Wenn ich als zu pflegende Person urteilsunfähig bin, so lehne ich den Einsatz eines Pflegeroboters ab.» Man kann – wenn man «ja» angekreuzt hat – für mehrere Fälle eine Ausnahme machen.

Die Frage nach der Konkurrenz muss differenziert betrachtet werden. Transport- und Greifroboter können Menschen teilweise ersetzen, Pflegeroboter im engeren Sinne arbeiten dagegen meist im Tandem, unterstützen und ergänzen Pflegekräfte und verdrängen sie kaum.

Den Willen achten

Der Einsatz von Pflegerobotern bietet aus ethischer (sowie aus ökonomischer und medizinischer) Perspektive sowohl Chancen als auch Risiken. Assistierende Technologien beweisen bereits ihre Alltagstauglichkeit. Robear und Co., die Hand an Patienten anlegen, benötigen bis zu einer hohen technischen Reife noch ein paar Jahre. Genügend Zeit, so scheint es, um sich über das Grundsätzliche klar zu werden. Letztlich sollte, wo immer möglich, der Wille des oder der Pflegebedürftigen geachtet werden, ob er in einer Verfügung oder während der Behandlung zum Ausdruck kommt.

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