MWC 2018: Was Schweizer Unternehmen in Barcelona zeigen
Vergangene Woche hat sich die Mobilfunk-Branche in Barcelona zum Mobile World Congress getroffen. Unter den mehr als 2300 Ausstellern waren auch Schweizer Unternehmen. Die Redaktion hat einige davon besucht.
Der Mobile World Congress (MWC) ist das wichtigste Treffen der Mobilfunk-Branche. Gerätehersteller, Ausrüster und Provider aus der ganzen Welt treffen sich alljährlich in Barcelona, um Angebote zu finden, Partnerschaften zu schliessen und sich über den Stand der Technik zu informieren. Unter ihnen sind Platzhirsche wie Samsung, Ericsson oder Verizon, die viel Aufmerksamkeit geniessen. Doch bietet der MWC in seinen Hallen auch vielen kleineren Unternehmen Platz. Darunter auch Schweizer Firmen, wie ein Rundgang auf der Messe zeigte.
Im Pavillon von Switzerland Global Enterprise waren verschiedene Schweizer Firmen versammelt. (Source: Netzmedien)
Erste Anlaufstelle war der Pavillon von Switzerland Global Enterprise (S-GE). Die Organisation fördert im Auftrag von Bund und Kantonen Schweizer Unternehmen bei der Expansion in ausländische Märkte. Eine der Firmen am Stand von S-GE ist Loriot aus Thalwil. Das Start-up bietet Cloud-Lösungen, Server-Management und Software für "LoRaWAN"-Netzwerke an, wie CFO und Mitgründer Julian Studer im Gespräch sagte.
Cloud für das Internet der Dinge
Loriot war zum ersten Mal am MWC und bildete einen interessanten Kontrapunkt zum Rest der Messe, die sonst ganz im Zeichen der nächsten Mobilfunkgeneration 5G stand. LoRaWAN setzt nämlich auf eine eigene Technologie, mit der sich Netzwerke im Internet der Dinge (IoT) mit hoher Reichweite und geringem Energieverbrauch aufbauen lassen, wie Studer erklärte. Diese seien unabhängig vom Mobilnetz und damit auch von den grossen Service-Providern.
Julian Studer, CFO und Mitgründer von Loriot. (Source: Netzmedien)
Nicht zuletzt dank eines Community-Ansatzes, der einen kostenlosen Einstieg ermögliche, habe Loriot mittlerweile 8000 Nutzer in 124 Ländern. Darunter seien bekannte Namen wie Microsoft, die NASA und verschiedene Städte. In New York etwa liefen derzeit Tests, sagte Studer. Nun stosse das Unternehmen mit seinen 15 Mitarbeitern aber an Grenzen und suche nach Investoren, um zu wachsen.
Das Ziel? "Wir wollen einer der grössten IoT-Anbieter der Welt werden", sagte Studer. Der Stand am MWC biete eine gute Gelegenheit zum Kontakt mit IT-Firmen. Ebenso wichtig sei es aber, die bestehenden Kunden von Loriot einmal persönlich kennen zu lernen.
Geteiltes Netz, besseres Netz
Auch Swisscom war am MWC vertreten, wenn auch nicht mit einem eigenen Stand. Der Telko zeigte stattdessen im Messebereich von Ericsson seine "Network Slicing"-Technologie, die Swisscom gemeinsam mit dem schwedischen Unternehmen entwickelte. Die Idee dahinter sei, dass die bestehende Mobil-Infrastruktur in mehrere Bereiche - sogenannte Slices - unterteilt werde, erklärte Ruben Merz, 5G Lead Architect bei Swisscom.
Jeder dieser Slices lasse sich dann auf Kunden zuschneiden, um ihnen die benötigten Dienstleistungen zu bieten. So lasse sich ein Netz in einen Slice für den bisherigen Mobilfunk und einen für "Mission Critical"-Bereiche wie Rettungsdienste oder öffentlicher Verkehr aufteilen. Eine Technik, die das Netz für alle Kunden besser und effizienter mache, sagte Merz.
Ruben Merz, 5G Lead Architect bei Swisscom. (Source: Netzmedien)
Mit der Resonanz auf dem MWC ist Merz nach eigener Angabe sehr zufrieden. Andere Netzbetreiber wie auch potenzielle Kunden zeigten Interesse an der Technik. Auch die Zusammenarbeit mit Ericsson sei positiv verlaufen. Jede Seite bringe ihre jeweiligen Stärken in die Zusammenarbeit ein. Besonderen Eindruck habe Merz gemacht, wie greifbar 5G in Barcelona bereits sei. Man spüre, dass es bis zur Einführung nicht mehr weit sei.
Streaming made in Switzerland
Zattoo kam mit einem B2B-Fokus zum zweiten Mal nach Barcelona. Der Zürcher Entwickler von Software zur Übertragung von Fernsehkanälen über IP bietet seine Streaming-Plattform als White Label für Netzbetreiber an, wie Julian Hens, Director Business Development B2B TV Solutions, sagte. Zattoo übernehme dabei das Management der gesamten Kette von der Einspeisung des Signals bis zur Benutzeroberfläche.
Julian Hens und Gernot Jaeger am Stand von Zattoo. (Source: Netzmedien)
Unter anderem setzten Quickline und der deutsche Internetanbieter 1&1 auf TV und Video-on-Demand-Lösungen über die Zattoo-Plattform. Deren Vorteil liege darin, dass sie auf vielen Geräten laufe und beim Provider keine spezielle Hard- oder Software benötige, so Hens weiter. Ausserdem biete Zattoo ein umfangreiches Back-End für die Analyse der Streams.
Es laufe gut für Zattoo am MWC. Hier treffe das Unternehmen die relevanten Provider und könne seine internationale Wachstumsstrategie vorantreiben. Der Kongress sei längst nicht mehr nur eine Mobile-Messe, sagte Hens. Den Trend hin zu personalisierten Inhalten à la Netflix sah er mit Gelassenheit. Zattoo profitiere sogar vom Video-on-Demand-Boom. Ausserdem werde das klassische Fernsehschauen nie verschwinden. "Komplett auf Live-TV verzichtet keiner", war Hens überzeugt.
Die Crowdfunding-Smartwatch
Im zentralen Verbindungsgang des MWC, wo sich die Besucher dicht an dicht aneinander vorbei schoben, baute Mykronoz aus Genf seinen Stand auf. Der Hersteller von Smartwatches und Wearables sei bereits kurz nach der Gründung 2013 erstmals nach Barcelona gekommen, sagte CEO Boris Brault.
Boris Brault, Chairman und CEO von Mykronoz. (Source: Netzmedien)
Mykronoz stellte am MWC-Stand sein Angebot von Wearables aus. Besonders stolz war Brault auf die "ZeTime", die erste hybride Smartwatch, die klassische Zeiger mit einem Touchscreen kombiniere. Sie kam im vergangenen Jahr durch eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter zustande. Mit Einnahmen von mehr als 5,3 Millionen US-Dollar sei es die grösste Kampagne des ganzen Jahres bei Kickstarter gewesen.
Am MWC könne man Distributoren und Provider treffen, die Produkte von Mykronoz in ihre Shops aufnehmen, sagte Brault. Der Wearable-Markt sei zwar hart umkämpft, das stelle das Unternehmen allerdings nicht vor grössere Probleme. Zum einen könne Mykronoz mit seiner "Schweizer DNA" punkten. Zum anderen ziele die Firma mit ihren Produkten nicht auf das Luxussegment, wo etwa die Apple-Watch zu finden sei.
Die "ZeTime" von Mykronoz kombiniert klassische Uhr und Smartwatch. (Source: Netzmedien)
Auch im kommenden Jahr werde man Mykronoz wieder am MWC antreffen können, kündigte Brault an. "Es ist eine Freude, am MWC teilzunehmen", fasste er seine Erfahrungen in Barcelona zusammen. Während die traditionelle Uhrenmesse Baselworld schrumpfe, sei hier ein Boom im Gange.
Vom Design-Telefon zur Silver Economy
Eine Überraschung gab es am Stand von Swissvoice. Die Schweiz komme bei ihnen eigentlich nur noch im Namen vor, sagte Key Account Manager Marc Taldir zur Begrüssung. Seit 2016 sei der Telefon-Hersteller Teil von Atlinks aus China. Eine Holding, zu der auch die Business-Sparte von Alcatel gehört.
Swissvoice am MWC. (Source: Netzmedien)
Ausserdem habe Swissvoice in den vergangenen Monaten eine strategische Kehrtwende vollzogen, so Taldir weiter. War das Unternehmen in der Vergangenheit vor allem für das ausgefallene Design seiner Produkte bekannt, ziele es jetzt auf die sogenannte "Silver Economy". Swissvoice stelle also Geräte her, die auf die Bedürfnisse von Senioren zugeschnitten seien.
"Die Silver Economy ist vielleicht nicht sexy, aber sie ist nötig", sagte Taldir. Mit zunehmendem Alter hätten manche Menschen Mühe mit der Bedienung aktueller Smartphones. Swissvoice biete ihnen Telefone, deren Bedienung einfacher und deren Feedback klarer sei. Erste Android-Smartphones und Festnetz-Geräte sollen im 2. Quartal 2018 auf den Markt kommen.
Die Smartphones von Swissvoice zielen auf die Silver Economy. (Source: Netzmedien)
Durch die demographische Entwicklung in vielen Ländern wachse ein attraktiver Markt heran. Auch für die Netzbetreiber und Elektronik-Händler, die am MWC Interesse an Swissvoice gezeigt hätten. Und für Versicherungen sei die Silver Economy ohnehin wichtig. Allerdings ist es nach Einschätzung von Taldir schwer, sich im Markt als Hersteller zu etablieren.
Auch für Swissvoice sei die Schweiz im Namen ein Vorteil, merkte er an. Kunden verknüpften damit Qualität und Zuverlässigkeit. Ob es die neuen Telefone des Herstellers auch auf den Schweizer Markt schaffen, sei im Moment aber noch offen. Swissvoice plane dies, suche momentan aber noch nach Händlern.