Swiss E-Government Forum

E-Government fordert Politik und Verwaltungen

Uhr

Am ersten Tag des Swiss E-Government Forums sind Vision, Strategie und Organisationsentwicklung bei der digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung auf der Agenda gestanden. Die Herausforderungen von Verwaltungen und Firmen ähnlich sich. Eine neue Community soll über den Event hinaus für Austausch sorgen.

Am Dienstag, dem 6. März, sind die Infosocietydays gestartet. An den ersten beiden Tagen findet das Swiss E-Government Forum statt, die anderen beiden Tage dreht sich beim Swiss E-Health Forum alles um die Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Digitale Transformation wichtiger als Digitalisierung

Zu Beginn der Veranstaltung brachte Peter Delfosse, CEO von Axon Active Holding, einen Blick von Aussen in die Debatte ein. Er konzentriert sich mit seiner Firma auf Fragen zur digitalen Transformation bei Versicherungen, Banken und Firmen im Transportwesen. Öffentliche Verwaltungen gehören noch nicht dazu.

In seinem Beitrag wollte er nicht die Verwaltungen in der Schweiz kritisieren. Daher ordnete er zunächst das oft schlechte Abschneiden der Schweiz in diversen E-Government-Rankings ein. Denn diese Rankings würden eher fragen: "wer hat die beste Indoor-Infrastruktur für das Skifahren". Die Antwort sei dann Dubai. Wichtiger sei es jedoch zu fragen, wo man am besten Skifahren oder wo man die besten Skiferien machen kann.

Unter diesem Gesichtspunkt seien Länder wie Estland, ein Vorreiter im Bereich E-Government, anders einzuordnen. Das Land konnte von der grünen Wiese aus E-Government aufbauen, wo hingegen die Schweiz eine sehr gut eingespielte und effiziente öffentliche Verwaltung hat, wie Delfosse betonte. Der Druck für Veränderungen sei hierzulande daher geringer.

Für Delfosse werde auch zu viel von der Digitalisierung gesprochen. Digitalisierung ist für ihn nur eine technische Frage, etwa die Digitalisierung von Formularen mittels PDFs. Wichtiger ist für ihn der nächste Schritt, die digitale Transformation. Dies erfordere grundlegende Anpassungen der bestehenden Prozesse.

Firmen und Verwaltungen stehen vor ähnlichen Herausforderungen

Eine wichtige Erkenntnis ist für Delfosse, dass Verwaltungen beim digitalen Wandel vor den gleichen Herausforderungen stehen wie auch Firmen. Zentral ist, dass "digitale Transformation nur dann stattfindet, wenn die Chefs es auch wollen", sagte er mit Nachdruck. Damit sprach er die politischen Entscheidungsträger an. Wenn es nicht vorwärts geht, dann liege es zumeist an den Chefs, zumindest so seine Erfahrung aus der Wirtschaft. Wenn die politischen Entscheidungsträger nicht handeln, dann heisst es in zehn Jahren immer noch: "Wir würden ja gerne, aber die gesetzliche Grundlage fehlt".

Auch Verwaltungen müssten erkennen, dass die digitale Transformation nicht in den bestehenden Strukturen erfolgen kann. Vor allem ein Denken über die Grenzen der Verwaltungen hinaus forderte er. Prozesse könnten nicht einfach an der Gemeinde- oder Kantonsgrenze aufhören. Sie müssten so gestaltet sein, dass Sie den Bürgern das Leben erleichtern.

Bei der Digitalisierung dürfe es aber nicht zu "digitalen Ersatzhandlungen kommen". In der Wirtschaft werden diese oft als Leuchtturmprojekt tituliert. In der Politik nannte Delfosse das E-Voting als ein solches Beispiel. Denn in einem Land, in dem die Briefzustellung nicht zuverlässig sei, bringe es einem Auslandsschweizer auch nichts, dass er elektronisch abstimmen kann. Der Brief für das E-Voting werde ihn nicht rechtzeitig erreichen.

Schweiz muss sich aktiv einbringen

Der letzte Schritt bei der Digitalisierung sei die sogenannte "digitale Gesellschaft". Hier müssten sich Politik und Verwaltungen die Frage stellen, "wie unsere Gesellschaft in einer digitalen Welt aussieht", sagte Delfosse. "Wie sollen wir die Errungenschaften der direkten Demokratie in die digitale Welt transferieren", sei eine weitere Frage.

Aktuell würden sich zwei Modelle durchsetzen. Das eine ist, dass die Daten den Firmen gehören, wie etwa in den USA. Im anderen Modell gehören die Daten dem Staat. Dieses Denken ist vor allem in Asien, insbesondere in China, anzutreffen. Delfosse forderte, dass die Schweiz hier ein Gegenmodell entwickeln müsse, auf Basis der direkten Demokratie. Denn die Daten müssten den Bürgern gehören. Dies wäre die Königsdisziplin im Bereich E-Government, schloss er seinen Vortrag ab.

Politik muss sich mit Verwaltung zusammentun

Jörg Kündig, Gemeindepräsident von Gossau (ZH) und Präsident vom Verband der Gemeindepräsidenten im Kanton Zürich, befasste sich in seinem Vortrag mit dem Verhältnis von Verwaltung und Politik im Bereich E-Government. Seiner Ansicht nach stehen sich Verwaltung und Politik in einem Spannungsverhältnis gegenüber, wobei die Politik versucht, die Verwaltung zu kontrollieren. Für Kündig müssten die beiden Pole aber enger zusammenarbeiten.

Jörg Kündig, Präsident Verband Gemeindepräsidenten Kanton Zürich, Gemeindepräsident Gossau (ZH). (Source: Netzmedien)

Die Strukturen der Verwaltungen stehen vor grossen Veränderungen, sagte er weiter. Fragen wie: "Braucht es in jeder Gemeinde überhaupt noch ein Steueramt?", beantwortet er mit "nein". Der Trend gehe eindeutig dahin, dass mehr zentralisiert wird. Schon aktuell werde IT immer häufiger im Verbund beschafft. Auch Tools wie der E-Umzug, die E-Baubewilligung oder die E-Einbürgerung im Kanton Zürich sind Projekte, die über die Gemeindegrenzen hinweg zeigen.

Auf der einen Seite gehe es beim E-Government darum, nichts zu überstürzen und nicht in Aktionismus zu verfallen. Gleichzeitig müssten die Verwaltungen schnell genug sein, um den Anschluss an die Bevölkerung nicht zu verlieren. "Die Politik hinkt immer hinterher", fasste Kündig das Dilemma zusammen. Jetzt sei es an der Zeit, dass die Politik die gesetzlichen Grundlagen schafft, auf dem E-Government aufbauen könne.

Der Wandel wird kommen und die Politik müsse darauf reagieren. "Man muss mit den Leuten reden und es ihnen erklären", nur so könnten die Menschen in der Verwaltung und auch die Bevölkerung auf dem Weg mitgenommen werden, sagte Kündig zum Abschluss.

Smart Government statt nur E-Government

Einen Einblick in ein neues Forschungsfeld gab der HSG-Forscher Ali Guenduez, Leiter Smart Government Lab IMP-HSG. Seit einem guten Jahr erforscht die HSG dieses Feld. Die ersten Ergebnisse präsentierte Guenduez am Event.

Ali Guenduez, Leiter Smart Government Lab IMP-HSG, Senior Researcher, Universität St.Gallen. (Source: Netzmedien)

Für Guenduez ist E-Government eher eine technische Frage. Dabei werden vor allem Technologien angewandt, die im Wesentlichen schon seit den 90er Jahren vorhanden seien. Bei Smart Government gehe es darum, aus grossen Datenmengen mittels Analytics Kenntnisse für die Verbesserung des Zusammenlebens zu gewinnen, wie Guenduez betonte. Daher seien E-Government und Smart Government nicht deckungsgleich. Smart Government ist vielmehr eine Weiterentwicklung und Ergänzung, wie Guenduez betonte.

Die Forscher der HSG befragten 250 Amtsleiter in der Deutschschweiz zu ihrer Einstellung zum Thema Big Data. Dabei identifizierten sie 9 Typen. Die Typenbezeichnung reichte von Dienstleister, Entwickler, bis zum Zyniker oder Nasenrümpfer. Das Spektrum ist weit gefächert. Von diesen vorgestellten 9 Typen ordneten die Forscher 5 als Verzögerer und 4 als Förderer von Smart Government ein. Weitere Details zur Studie haben die Forscher auf ihrer Website veröffentlicht.

Vernetzung auf über den Event aufrechterhalten

Das E-Government Forum findet nur ein Mal im Jahr statt. Der Event dient auch zum Austausch unter den Entscheidungsträgern im Feld E-Government. Mit einer neuen Plattform, der "eGovernment Community", wollen die Veranstalter den Austausch institutionalisieren.

Auf der Plattform sollen sich Interessierte auch über den Event hinaus und das ganze Jahr hindurch über E-Government austauschen können. Dazu stehen Foren bereit. Auch der direkte Kontakt unter den Mitgliedern ist möglich. Dabei entscheide der Teilnehmer selbst, wie viele Daten er von sich preisgeben will. Rund ein Drittel der Teilnehmer des Events registrierten sich bereits am ersten Tag, sagte der Verantwortliche der Plattform, Christian Schwegler.

Webcode
DPF8_83524