Wie die IT des Nationalmuseums tickt
Vier verschiedene Sammlungen sind unter dem Dach des Schweizerischen Nationalmuseums vereint. Im Interview gewährt der Leiter Informatik, René Vogel, Einblick in seine Abteilung, spricht über seine bevorzugten Methoden des Projektmanagements und über Chancen und Herausforderungen während der Pandemie.
Unter dem Dach des Nationalmuseums sind das Landesmuseum Zürich, das Château de Prangins, das Forum Schweizer Geschichte Schwyz und das Sammlungszentrum in Affoltern am Albis vereint. Wie ist Ihre IT-Abteilung organisiert?
René Vogel: Bei uns arbeiten acht Angestellte und ein Systemtechniklehrling. Die Abteilung ist in zwei Teams unterteilt: Das Systemtechnik-Team (innenwirksam) betreut und wartet die Infrastruktur inklusive Rechenzentrum, Büroautomation und IT-Sicherheit. Das Museums-Team (aussenwirksam) betreut die Webseite, App und Medienstationen in den Ausstellungen. Es gibt einen museumsinternen Produktekatalog mit allen Produkten aus der IT-Abteilung.
Was ist sonst noch besonders an Ihrer Abteilung?
Das IT-Team des Schweizerischen Landesmuseums entspricht nicht gerade dem, was man sich unter einer durchschnittlichen IT-Abteilung vorstellt. Unter anderem übernimmt es die folgenden Aufgaben: Wartung und Betrieb der Infrastruktur inklusive Büroautomation, Rechenzentrum, IT-Sicherheit. Einsatz von Web- und Mobile-Technologien bis hin zur Content-Aufbereitung inklusive Fotografie, Audio- und Videoschnitt. Ausserhalb der IT-Abteilung gibt es Berührungspunkte zu diversen anderen Mitarbeitenden aus unterschiedlichsten Berufsgruppen.
Das Schweizerische Nationalmuseum ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung. Wie wirkt sich dies auf Ihr IT-Projektmanagement aus?
Wir arbeiten mit öffentlichen Geldern im Interesse der Öffentlichkeit, und wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst. Es gibt entsprechende Verträge und Regelwerke. Unsere Projekte haben immer ein Kostendach. Im IT-Projektmanagement muss man das im Fokus behalten und gegebenenfalls auch Kompromisse oder Abstriche bei Feature-Wünschen machen. Bereits bei der Projekt-Spezifikation versuchen wir, bestehende Lösungen nach Möglichkeit mehrfach einzusetzen oder zu erweitern.
Laut Experten geraten Vertreter agiler und Befürworter klassischer Methoden im IT-Management schnell in einen Glaubenskrieg. Auf welcher Seite stehen Sie generell?
Wir bevorzugen die agilen Methoden und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Die agilen Methoden eignen sich ganz gut zur Arbeit an Projekten mit einem festen Kostendach. Auf Glaubenskriege sollte man sich nicht einlassen, die Methoden variieren automatisch je nach Projektgrösse und -partner. Da bei uns im Schweizerischen Nationalmuseum unterschiedlichste Berufsgruppen an Projekten zusammenarbeiten, sind wir als IT oft auch in einer Vermittlerrolle zwischen unseren Mitarbeitern und Technikpartnern.
Ihre "Landesmuseum"-App, die letztes Jahr einen goldenen Best of Swiss Apps Award holte, setzen Sie mit einem externen Partner um. Wie gestalten Sie in diesem Fall das IT-Projektmanagement?
Die "Landesmuseum"-App wurde sogar mit mehreren externen Partnern umgesetzt. Was Tools und Workflows angeht, passen wir uns grundsätzlich den externen Partnern an, die haben ihre Systeme etabliert und bestens im Griff. Somit arbeiten wir mit diversen Tools, was zwar eine gewisse Lernkurve, aber natürlich auch eine grosse Horizonterweiterung darstellt. Auf der personellen Ebene gibt es normalerweise einen direkten Ansprechpartner beim externen Partner und bei uns. Im Verlauf des Projekts, wenn sich die beteiligten Personen besser kennen, läuft dann natürlich nicht mehr sämtliche Kommunikation über eine Person. Wichtig ist, dass der Projektleiter den Überblick trotzdem behalten kann. Die Dokumentation der Projekte und der Wissenstransfer sind sehr wichtig. Das Wissen sollte nicht bei einer Person konzentriert sein, da gewisse Projekte sehr lange Laufzeiten haben können und beim Schweizerischen Nationalmuseum sehr viele Mitarbeiter Teilzeit arbeiten.
Was raten Sie Unternehmen, die Ihre IT-Projekte mit externen Partnern umsetzen wollen?
Suchen Sie sich Ihre Partner sorgfältig aus, sie werden viel Zeit zusammen verbringen! Es gibt viele Faktoren, die hier hineinspielen. Wir versuchen jeweils den richtigen Partner für die entsprechende Aufgabe zu finden. Je nach Aufgabenstellung gibt es ganz unterschiedliche Schwerpunkte, beispielsweise Design, Web- oder App-Entwicklung, AR, IT-Security. Bei der Evaluation sollte neben den technischen und finanziellen Punkten auch der menschliche Aspekt nicht vernachlässigt werden.
Worauf achten Sie sonst noch?
Wir versuchen mit Partnern zu arbeiten, mit denen wir gerne arbeiten und denen wir vertrauen können. Damit Gutes entsteht, muss die Arbeit Spass machen. Zudem versuchen wir zu vermeiden, in eine komplette Abhängigkeit von einem Anbieter zu geraten. Deshalb setzen wir möglichst weit verbreitete Technologien ein – wenn möglich Open-Source. Wir sehen das als Chance für beide Seiten.
Auch das Projektmanagement selbst kann heute ausgelagert werden. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Wo möglich probieren wir es intern zu lösen, aus Ressourcengründen ist das aber nicht immer machbar. Es kann grundsätzlich gut funktionieren. Es besteht aber das Risiko, dass unser internes Know-how in diesem Fall nicht komplett ausgenutzt wird. Wir werden diesbezüglich auch oft von anderen Institutionen aus unserem Umfeld angefragt, da wir über grosse Erfahrung verfügen.
Die letzten Monate haben vieles verändert, auch in IT-Abteilungen. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf Ihre IT-Projekte?
Wir haben unter anderem die bestehenden Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit für unsere Mitarbeitenden weiter ausgebaut. Ebenso wurden wegen der Pandemie neue digitale Inhalte geschaffen, wie beispielsweise virtuelle Ausstellungsrundgänge oder interaktives Unterrichtsmaterial für Schulen. Während des Lockdowns mussten Ausstellungseröffnungen auf spätere Zeitpunkte verschoben werden, da die Museen geschlossen wurden; auch hier waren IT-Projekte wie beispielsweise Medienstationen oder Webinhalte betroffen. Durch die Verschiebung von Projekten konnten wir die frei gewordenen Kapazitäten nutzen und andere Projekte schneller vorantreiben als geplant. Die Pandemie hat die Digitalisierung im Museum sehr schnell vorangetrieben. Für viele Mitarbeitenden sind digitale Arbeitsweisen selbstverständlich geworden.
Studien zufolge setzten Unternehmen während Corona vermehrt auf externe Projektpartner. Wie ist dies bei Ihnen?
Das hat sich bei uns nicht verändert. Da durch die Museumsschliessung während des Lockdowns Ausstellungen verschoben oder komplett abgesagt werden mussten, wurden Kapazitäten für zusätzliche Aufgaben frei. Deshalb konnten wir unsere Arbeit ohne die Hilfe weiterer externer Partner bewältigen.
Welchen Fehler im IT-Projektmanagement möchten Sie nie mehr machen?
Zum Glück konnten die letzten IT-Projekte ohne nennenswerte Probleme realisiert werden. Natürlich lernen wir aber mit jedem Projekt weiter dazu, unter anderem auch, weil wir unsere Projekte rückwirkend nochmals betrachten und beurteilen – dies allerdings eher informell.
Welchen Tipp geben Sie einem Projektmanager, der eine Stelle in der IT-Abteilung eines Museums antritt?
Termine bei uns werden nie verschoben, ausser jetzt in der Pandemie. Vor einer Ausstellungseröffnung kommt es deshalb regelmässig zu hoher Arbeitslast. Fachwissen ist zum Beispiel eine unentbehrliche Grundlage. Auch die Persönlichkeit spielt eine grosse Rolle, denn das Team und seine Kreativität hat einen hohen Stellenwert. Zuletzt ist auch die Belastbarkeit sehr wichtig: Eine Ausstellungseröffnung kann höchstens durch eine Pandemie verschoben werden. Daher der Tipp für einen Projektmanager im musealen Bereich: Halte dich technisch und mental fit, sei bereit, in einem heterogenen Team zu arbeiten und schaue weit über den Tellerrand hinaus – so wirst du hier deinen Traumjob finden.