Politik will Antworten

Misslungenes SAP-Projekt wird für die Armee zum gigantischen Logistik-IT-Desaster

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von René Jaun und yzu

Die Schweizer Armee braucht eine digitale Logistiklösung, die auch im Kriegsfall unabhängig funktioniert. Ein entsprechendes SAP-Projekt brach die Armeeführung während der Umsetzung ab. Das Resultat sind höhere Kosten, viel Verspätung und viele offene Fragen aus dem Bundeshaus.

(Source: VBS)
(Source: VBS)

Die Schweizer Armee hat keine krisensichere Logistiksoftware – und dies dürfte für mindestens 10 Jahre offenbar auch so bleiben. Dies zeigt ein Bericht von "SRF", der sich unter anderem auf Parlamentsprotokolle stützt. Dabei sollte es eigentlich anders sein: Vor vier Jahren sprach das Parlament dem Militär nämlich 240 Millionen Franken zu. Das Projekt "ERP D/ar-Systeme" sah vor, dass die Armee eine Geschäfts-Ressourcenplanungs-Software der Firma SAP beschafft und einführt, um in allen Lagen ihre Aufgaben erfüllen zu können, wie "SRF" zusammenfasst.

7 von 8 Phasen

Mit der Lösung wollte die Armee etwa "die Soldaten mobilisieren können, Essensrationen ausliefern, Kampfjets bereitstellen oder Munition verwalten". Doch nach 7 von 8 Projektphasen brach die Armee die Einführung des Systems ab. Ursprünglich, erklärt die Armee gegenüber "SRF", sei man davon ausgegangen, dass das SAP-Modul "Disconnected Operations" eine Lösung sei für ein "robustes und resilientes militärisches Logistiksystem". Aber: "Diese Lösung bewahrheitete sich nach mehreren Architekturiterationen mit Unterstützung von Drittfirmen und SAP jedoch nicht", zitiert "SRF" die Armee.

Aufgrund zwischenzeitlich erhöhter technischer Sicherheitsanforderungen sei die vollständige Einführung der SAP-Lösung aus Sicht der Armee heute nicht mehr möglich. In den nächsten Jahren wolle man nach einer alternativen Lösung suchen. Gegenüber dem Parlament wurde der Chef Armeestab Divisionär Alexander Kohli deutlicher: "Wir werden das Thema erst nach 2035 angehen", zitiert "SRF". Derzeit seien die Mittel knapp.

Kommission will Antworten

Dass die Armee das SAP-Projekt nicht zu Ende führt, stösst in der Politik auf Unmut. "Laut Angaben der deutschen Firma SAP nutzen weltweit 57 Streitkräfte SAP-Lösungen, darunter 22 von 29 Nato-Staaten", schreiben die Nationalräte Jean-Luc Addor und Fabian Molina in einem Postulat, welches die sicherheitspolitische Kommission zur Annahme empfiehlt. Die Politiker wollen geklärt haben, "weshalb das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sich nicht weiterhin an bewährten Standard-Lösungen orientiert und einsatzkritische Applikationen teilweise in einer Neuen Digitalen Plattform (NDP) neu aufbauen und entsprechende bestehende Applikationen dekommissionieren will".

Das Ziel müsse sein, die mit der SAP-Standard-Software auch im Defence-Bereich erzielbare Kosteneffizienz tatsächlich zu realisieren, "statt ein mit grossen zeitlichen und finanziellen Risiken behaftetes, überhöhtes Ambitionsniveau und kostspielige Helvetisierungen anzustreben".

Im Postulat fordern die Parlamentarier den Bundesrat unter anderem auf, den Stand des Projekts "ERP Systeme V/ar" abzufragen und zu klären, in welchen Fristen und zu welchen Bedingungen die abgebrochene 8. Projektphase gemäss früherer Planung weiterhin umsetzbar sei. Die Exekutive soll des Weiteren prüfen, "wie das Ambitionsniveau der IKT-Architektur im VBS den vorhandenen finanziellen, personellen und technischen Ressourcen so angepasst werden kann, dass Risiken minimiert und Zeitpläne eingehalten werden können" und wie die Governance zur Steuerung der grossen IKT-Projekte im VBS bei einem angepassten Ambitionsniveau auszugestalten wäre.

 

Im Jahr 2023 hat der Bund insgesamt 1,5 Milliarden Franken für Informatik und Telekommunikationsmittel ausgegeben. 547,77 Millionen Franken davon waren Ausgaben für Informatik und Kommunikationsmittel für Führungs- und Einsatzsysteme der Armee, wie Sie hier lesen können.

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