Update: Armee nimmt Stellung zum SAP-Projekt
Die Schweizer Armee braucht eine digitale Logistiklösung, die auch im Kriegsfall unabhängig funktioniert. Doch ein entsprechendes SAP-Projekt entpuppte sich als Fehlschuss. Das Projekt habe sie allerdings nicht abgebrochen, stellt die Armee klar.
Update vom 28. Oktober 2024: Die Armee lässt die vergangene Woche veröffentlichten Medienberichte nicht unwidersprochen stehen. Auf ihrer Website stellt die Gruppe Verteidigung mehrere Punkte richtig. Demnach sei es falsch, dass die Armee das SAP-Projekt "ERPSYSVAR" abgebrochen habe: Das Projekt zur Ablösung des heutigen SAP-Projekts sei und werde im Rahmen des geplanten Budgets eingeführt, schreibt die Armee.
"Es hat sich jedoch nach gründlicher Prüfung gezeigt, dass die nach 2022 hinzugekommenen neuen Anforderung an eine Kriegslogistik mit SAP nicht vollständig abgedeckt werden können. Deshalb wurde entschieden, das zivile SAP wie geplant einzuführen und die Kriegslogistik mit einem separaten Projekt anzugehen."
Die Armee plant laut der Richtigstellung, das Programm nach der Einführung des Systems für den Normalbetrieb per 2026 zu beenden. Dies habe auch die Eidgenössische Finanzkontrolle in einem Prüfbericht empfohlen.
Falsch sei ferner, dass das neue Vorgehen mehr Zeit und Geld koste: "Die Projektkosten fallen tiefer aus, weil der Projektumfang geringer ist, als ursprünglich geplant. Die neuen Anforderungen an eine Kriegslogistik werden mit einem separaten Projekt abgedeckt. Die Finanzierung soll über den Rüstungskredit 2027 sichergestellt werden", stellt die Behörde klar.
Schliesslich korrigiert die Armee die im Medienbericht genannte Aussage, wonach ein Folgeprojekt erst 2035 in Angriff genommen werde. "Das Folgeprojekt wird per 2025 angegangen", schreibt sie dazu.
Eine Aussage bestätigt die Gruppe Verteidigung jedoch auch: Es sei richtig, dass die Armee vorläufig über keine krisengesicherte Logistik verfüge. "Wie die Gruppe Verteidigung bereits mehrfach betont und im Zielbild Schweizer Armee der Zukunft festgehalten hat, wird basierend auf den beschlossenen Budgets die Umsetzung des ersten Schrittes zur Erreichung der Verteidigungsfähigkeit ungefähr bis Mitte 2035 andauern", hält sie dazu fest.
Originalmeldung vom 24.10.2024:
Misslungenes SAP-Projekt wird für die Armee zum gigantischen Logistik-IT-Desaster
Die Schweizer Armee hat keine krisensichere Logistiksoftware – und dies dürfte für mindestens 10 Jahre offenbar auch so bleiben. Dies zeigt ein Bericht von "SRF", der sich unter anderem auf Parlamentsprotokolle stützt. Dabei sollte es eigentlich anders sein: Vor vier Jahren sprach das Parlament dem Militär nämlich 240 Millionen Franken zu. Das Projekt "ERP D/ar-Systeme" sah vor, dass die Armee eine Geschäfts-Ressourcenplanungs-Software der Firma SAP beschafft und einführt, um in allen Lagen ihre Aufgaben erfüllen zu können, wie "SRF" zusammenfasst.
7 von 8 Phasen
Mit der Lösung wollte die Armee etwa "die Soldaten mobilisieren können, Essensrationen ausliefern, Kampfjets bereitstellen oder Munition verwalten". Doch nach 7 von 8 Projektphasen brach die Armee die Einführung des Systems ab. Ursprünglich, erklärt die Armee gegenüber "SRF", sei man davon ausgegangen, dass das SAP-Modul "Disconnected Operations" eine Lösung sei für ein "robustes und resilientes militärisches Logistiksystem". Aber: "Diese Lösung bewahrheitete sich nach mehreren Architekturiterationen mit Unterstützung von Drittfirmen und SAP jedoch nicht", zitiert "SRF" die Armee.
Aufgrund zwischenzeitlich erhöhter technischer Sicherheitsanforderungen sei die vollständige Einführung der SAP-Lösung aus Sicht der Armee heute nicht mehr möglich. In den nächsten Jahren wolle man nach einer alternativen Lösung suchen. Gegenüber dem Parlament wurde der Chef Armeestab Divisionär Alexander Kohli deutlicher: "Wir werden das Thema erst nach 2035 angehen", zitiert "SRF". Derzeit seien die Mittel knapp.
Kommission will Antworten
Dass die Armee das SAP-Projekt nicht zu Ende führt, stösst in der Politik auf Unmut. "Laut Angaben der deutschen Firma SAP nutzen weltweit 57 Streitkräfte SAP-Lösungen, darunter 22 von 29 Nato-Staaten", schreiben die Nationalräte Jean-Luc Addor und Fabian Molina in einem Postulat, welches die sicherheitspolitische Kommission zur Annahme empfiehlt. Die Politiker wollen geklärt haben, "weshalb das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sich nicht weiterhin an bewährten Standard-Lösungen orientiert und einsatzkritische Applikationen teilweise in einer Neuen Digitalen Plattform (NDP) neu aufbauen und entsprechende bestehende Applikationen dekommissionieren will".
Das Ziel müsse sein, die mit der SAP-Standard-Software auch im Defence-Bereich erzielbare Kosteneffizienz tatsächlich zu realisieren, "statt ein mit grossen zeitlichen und finanziellen Risiken behaftetes, überhöhtes Ambitionsniveau und kostspielige Helvetisierungen anzustreben".
Im Postulat fordern die Parlamentarier den Bundesrat unter anderem auf, den Stand des Projekts "ERP Systeme V/ar" abzufragen und zu klären, in welchen Fristen und zu welchen Bedingungen die abgebrochene 8. Projektphase gemäss früherer Planung weiterhin umsetzbar sei. Die Exekutive soll des Weiteren prüfen, "wie das Ambitionsniveau der IKT-Architektur im VBS den vorhandenen finanziellen, personellen und technischen Ressourcen so angepasst werden kann, dass Risiken minimiert und Zeitpläne eingehalten werden können" und wie die Governance zur Steuerung der grossen IKT-Projekte im VBS bei einem angepassten Ambitionsniveau auszugestalten wäre.
Im Jahr 2023 hat der Bund insgesamt 1,5 Milliarden Franken für Informatik und Telekommunikationsmittel ausgegeben. 547,77 Millionen Franken davon waren Ausgaben für Informatik und Kommunikationsmittel für Führungs- und Einsatzsysteme der Armee, wie Sie hier lesen können.