Börsen, Banken, Bundesrat – und Facebook
In der Blockchain-Industrie wird mit Hochdruck an Entwicklungsprojekten gearbeitet – aktuell in einem stabileren und somit erwachseneren Umfeld. So haben vielversprechende Projekte aus dem Crypto Valley ihre dezentralen Applikationen oder Protokolle bereits veröffentlicht oder stehen kurz davor. Aber auch die traditionelle (Finanz-)Industrie sowie die Politik nähern sich dem Thema immer weiter an.
Die klassischen Börsen haben das Thema "Digital Assets" definitiv für sich entdeckt. Ende 2018 hatte die Schweizer Börse mit Six Digital Exchange (SDX) den Bau einer vollständig integrierten Plattform für Handel, Abwicklung und Verwahrung von tokenisierten Vermögenswerten (DLT Assets) angekündigt. Aber auch die Deutsche Börse arbeitet am Aufbau einer Finanzmarktinfrastruktur für Digital Assets in der Schweiz – dies im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit Swisscom und Sygnum, einem Start-up im Bankensektor. Die zentralen Elemente dieser Lösung sollen die Emission und Verwahrung von Digital Assets sowie Zugang zu Liquidität und Bankdienstleistungen umfassen.
Während sich SDX auf ein B2B-Geschäftsmodell zwischen ihren Mitgliedern (d.h. Banken und Effektenhändler) fokussiert, scheinen sich die Deutsche Börse, Swisscom und Sygnum eher auf den Retail- und KMU-Markt auszurichten. Es wird interessant zu beobachten sein, ob "digitale" Kunden ihre Geschäfte eher direkt über eine neue Infrastruktur oder über die bestehende Bank ihres Vertrauens abwickeln möchten.
Banken
Das Hauptthema im Bankenbereich ist derzeit die Verwahrung von digitalen Assets (Custody). Damit Banken in diesem Bereich Dienstleistungen erbringen können, müssen digitale Assetklassen (DLT-Assets) in die Banken-Software-Landschaft integriert werden können.
Hier haben bestehende Core-Banking-Systeme wie Avaloq, aber auch andere Anbieter wie Custodigit (Swisscom-Tochter) oder Metaco (Start-up aus Lausanne) bereits funktionsfähige Lösungen entwickelt. Auf der anderen Seite haben mehrere neue Marktteilnehmer Bankenlizenzen beantragt (z.B. Sygnum, Seba sowie Bitcoin Suisse) und wollen den DLT-Assets-Markt so für sich besetzen. Es wird sich auch hier zeigen, ob die Kunden eher ihre "alte" Bankverbindung nutzen möchten oder ob das (technologische) Vertrauen in eine neue "Digitalbank" grösser ist.
Bundesrat
Aber auch im Bereich der Rechtsetzung sind wichtige Schritte unternommen worden. So hatte der Bundesrat im März 2019 die Vernehmlassung zur Anpassung des Bundesrechts an die Entwicklungen der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) eingeleitet. Diese wurde am 28. Juni 2019 mit vornehmlich positiven Rückmeldungen abgeschlossen.
Vor allem die Einführung der vorgeschlagenen "DLT-Wertrechte" ist zu begrüssen und vermag die Rechtssicherheit bei der Tokenisierung von Rechten, insbesondere in Bezug auf das heute noch hinderliche Schriftformerfordernis bei der Übertragung, deutlich zu erhöhen. Ebenfalls zweckmässig erscheint die geplante gesetzlich vorgesehene Aussonderung von Tokens und Daten im Konkurs. Zudem erachten wir auch die Einführung einer neuen Finanzmarktinfrastruktur-Kategorie als sehr positiv. Das neue "DLT-Handelssystem" bricht die traditionelle Wertschöpfungskette "Trading – Clearing – Settlement" auf und entspricht somit optimal den Bedürfnissen von auf Blockchain basierenden Geschäftsmodellen.
Und Facebook?
Schliesslich hatte auch Facebook – zusammen mit illustren Partnern – mit "Libra" eine eigene digitale Währung angekündigt, die von Fiat-Reserven gedeckt sein und demnach als wertstabile Crypto Currency ("Stable-Coin") fungieren soll. Die koordinierende "Libra Association" hat ihren Sitz dabei in Genf. Was revolutionär klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als klassischer Zahlungsdienstleister mit bankähnlicher Tätigkeit im Gewand einer "Kryptowährung". Und so bläst der regulatorische Wind Facebook bereits kräftig ins Gesicht, während Datenschutzbeauftragte weltweit alarmiert sind.
Eine echte Konkurrenz zu dezentralen Protokollen wie Bitcoin oder Ethereum stellt Libra aus unserer Sicht jedoch nicht dar. Der Einstieg von Facebook ins Payment-Business wird dagegen der traditionellen Finanzindustrie einiges an Kopfzerbrechen bereiten.