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Digitale Vision gesucht!

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von Kolumnist: Rino Borini, Mitgründer Finance 2.0
Rino Borini, Mitgründer Finance 2.0
Rino Borini, Mitgründer Finance 2.0

Seit der Finanzkrise von 2008 hat sich in der Bankenwelt zwar viel verändert – doch der Big Bang ist ausgeblieben. Trotz Digitalisierung, verändertem Kundenverhalten und immer mehr branchenfremder Konkurrenz zeigt sich die Branche erstaunlich zuversichtlich. Man sieht die aufziehenden Wolken am Himmel zwar, aber so schlimm wird’s schon nicht werden, so die Einschätzung. Woher diese Zuversicht kommt, ist schwer zu sagen. An der Ertragslage kann’s nicht liegen, denn die spricht eine andere Sprache. Dies zeigt vor allem der Blick auf die beiden wichtigsten Ertragssäulen von Universalbanken: das Geschäft mit Zinsen respektive Kommissionen und Dienstleistungen. Den Zinserfolg konnten die Banken zwischen 2008 bis 2017 um 12 Prozent steigern – doch das ist keine gute Nachricht, denn der Zinsertrag hat in derselben Periode um 60 Prozent abgenommen. Dies, obwohl die wichtigste Bilanzposition, die Hypotheken, um 42 Prozent gewachsen ist. Den positiven Zinserfolg verdanken die Banken letztlich den um 80 Prozent gesunkenen Refinanzierungskosten. Als Grund für die verschlechterte Ertragslage wird meist das Zinsumfeld angeführt. Doch ein Blick auf die zweite wichtige Erfolgskomponente verdeutlicht, dass es sich auch um einen Strukturwandel handelt. Und dieser kann nicht rückgängig gemacht werden. Der Ertrag aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft ist nämlich ebenfalls eingebrochen, um 27 Prozent. Auch hier – wie schon bei Hypotheken – obwohl das Volumen grösser ist: Die verwalteten Vermögen sind um 135 Prozent gestiegen. 

Die Beispiele zeigen, dass höhere Volumen die Margenerosion nicht stoppen können. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Zumal digitale Plattformen den Druck laufend erhöhen. Seit das Fintech Robinhood in den USA kostenlosen Aktienhandel anbietet, haben auch etablierte Finanzinstitute wie Charles Schwab oder E-Trade ihre Gebühren kräftig gesenkt. J.P. Morgen hat sogar ein Angebot mit kostenlosem Handel im letzten Jahr lanciert. Challenger-Banken wie N26, Revolut oder der Schweizer Anbieter Neon wiederum bieten gebührenfreie Kontoführung und Debitkarten. Diesem Trend können Banken nur standhalten, wenn sie mutig genug sind, sich zu transformieren. Letztlich geht es um neue Geschäftsmodelle, die wieder für Erträge sorgen und die Kundenbindung erhöhen. Das ist alles andere trivial. Als wichtigste Massnahme müssen Bankenchefs in ihren Instituten das richtige Mindset verbreiten. Es gilt, den digitalen Wandel nicht einfach zu akzeptieren, sondern ihn richtiggehend zu umarmen – und entsprechend konsequent zu agieren. Die digitale Transformation bringt nicht nur eine Veränderung der Unternehmensstruktur, sondern einen grossen Wandel für jeden Mitarbeiter. Es reicht nicht, wenn eine Bank eine digitale Vision hat. Sie muss von jedem Mitarbeiter gelebt werden.