Banking of Things

IoT im Banking – eine Do-it-yourself-Vision

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von Ralph Hutter, Head PM Ecosystems, Finnova

Die Technologien im Bereich Internet der Dinge sind reif. Auf den ersten Blick zeichnen sich zahlreiche naheliegende neue Einsatzmöglichkeiten im Banking ab. Banking of Things ist aber einfacher gesagt als getan. Auf den zweiten Blick zeigt sich nämlich, dass ein Engagement in IoT grundlegende Paradigmenwechsel und vor allem zahlreiche neue Fähigkeiten bedingt. Aber was sind realistische Anwendungsfälle und Geschäftsmodelle für IoT im Banking?

Die rasante Verbreitung von drahtlosen Geräten mit Sensoren und Internetzugang, wie zum Beispiel Funklautsprecher, Fitnesstracker, Smartwatches, Smarthome-Geräte und neu auch Connected Cars, verändern die Art und Weise, wie wir mit der Welt um uns herum interagieren. Die Basis bilden Flatrate-Datenpläne und die Verbreitung von Wi-Fi. Dabei wird die 5G-Mobilfunktechnologie eine neue Ära der Konnektivität zwischen Menschen und Maschinen einleiten.

Das Internet der Dinge – eine Definition

Das Internet der Dinge (IoT) ist "ein weltweites Netzwerk von miteinander verbundenen Objekten, die eindeutig adressierbar sind und auf Standardkommunikationsprotokollen basieren". Oder einfacher: IoT ist ein Konzept, das zum Inhalt hat, physische Standorte, Dinge, Menschen, Tiere und Maschinen mit dem Internet zu verbinden.

Die meisten Definitionen von IoT greifen jedoch zu kurz. Denn sie beschränken sich meist auf die Vernetzung von eigenständigen Geräten mit dem Internet via Standardprotokolle. Es wird ausser Acht gelassen, dass die meisten IoT-Geräte auch über zusätzliche Benutzer-Interfaces wie Smartphone-Apps, Smartwatch-Apps, Wearables, Voice Interfaces, Webanwendungen, Notifications etc. verfügen und eine Basisinfrastruktur – wie etwa eine Cloud-Plattform inklusive Administrationsumgebung – voraussetzen. Erst im Zusammenspiel führen sie zu einer neuen User Experience und zu smarten Anwendungsmöglichkeiten einer neuen Generation von Geschäftsmodellen für Banken und Finanzdienstleister.

Anwendungsfälle von IoT im Banking

Obwohl die Technologie reif ist, fällt es Finanzdienstleistern oft schwer, konkrete Anwendungsfälle mit Innovationspotenzial zu identifizieren. Eine Studie von Tata belegt, dass Banken primär an Beispiele rund um die digitalen Endgeräte der Benutzer wie Smartphone, Tablet oder neu auch virtuelle Assistenten (Alexa, Cortana) denken. In zweiter Linie kommen Einsatzgebiete von Sensoren in den eigenen Räumlichkeiten wie Schalterhalle, Beratungsräumlichkeiten oder im Kontext von stationären Geräten wie Geldautomaten ins Spiel. Etwas weiter gedacht, lassen sich folgende Anwendungsfälle nennen:

  • Auswertung der Geolokalisierung des Smartphones im Kontext von Fraud Detection, Push-Angeboten oder Bewegungsverhalten in der Filiale

  • Zugang zu Selbstbedienungszonen via Smartphone (Citibank)

  • Location-based Notifications mit Spezialangeboten, Events etc. (Citibank)

  • Vorankündigung des Kunden in der Schalterhalle (Barclays) über Beacons. Der Berater kann vorab die Kundeninformationen einsehen, beziehungsweise der Kunde kann bereits in der Warteschlange die von ihm benötigte Dienstleistung auswählen.

  • Gesichtserkennung am Schalter zur Identifikation und zur Vorankündigung sowie zur Auswertung des Kundenverhaltens (Yorkshire Banking Group)

  • Banking at home – Abfrage von Kontoständen via Alexa oder Google

  • Contactless Payments via Fitness Watch

Diese Beispiele sind weder Wow-Faktoren für ein besseres Benutzererlebnis noch stellen sie eine Revolution im Banking dar. Sie haben aber eines gemeinsam: Entweder gehen sie von bestehenden Geschäftsmodellen aus, in denen das Unternehmen im Mittelpunkt eines Ökosystems steht, oder sie definieren Anwendungsfälle rund um bestehende Kanäle und Geschäftsprozesse.

Um das effektive Potenzial von IoT zu erkennen, sind ein Perspektivenwechsel sowie das Übernehmen zweier grundlegend neuer Annahmen nötig:

  1. Die Bank diktiert die Kundenschnittstelle nicht mehr. Bestenfalls besetzt sie noch ausgewählte Schnittstellen – im Wissen, dass viele davon neu "Geräte" und nicht mehr Menschen sind.

  2. Das Ökosystem der Bank steht nicht (mehr) im Mittelpunkt. Die Kunden orientieren sich anhand ihrer Bedürfnisse auf übergreifenden Plattformen.

Vom Kunden her denken

Um IoT-Anwendungsfälle zu identifizieren, ist es einfacher, sich in die Perspektive des Kunden und die neuen Player an der Kundenschnittstelle zu versetzen sowie entsprechende Customer Journeys zu identifizieren. Über welche Geräte verfügt der Kunde? Welche Objekte (wie z. B. Fahrzeuge, Smarthome-Geräte, Maschinen) besitzt der Kunde, respektive welche davon möchte er anschaffen oder nutzen?

Neu muss weit über das Smartphone hinaus gedacht werden. Neue Interfaces sind Fitnesstracker, Smartwatches, Personal Assistants zuhause. Und noch einen Schritt weiter gedacht sind dies eben nicht nur Kommunikations- und Unterhaltungsgeräte, sondern zunehmend "Dinge": Im "Smarthome" vernetzen sich Heizung, Fensterläden, Türen mit der lokalen Meteostation, der Licht- und Musiksteuerung. Im Auto, dem E-Bike, dem Traktor, in Maschinen bis hin zu Zahnbürsten und Kühlschränken sind zahlreiche Sensoren, Selbstüberwachungswerkzeuge und Kommunikationsmöglichkeiten eingebaut – unsere Alltagsgegenstände werden digital, intelligent und vernetzt.

Vernetzte, selbstüberwachende Maschinen und Immobilien werden Informationen zu Aufenthaltsort oder Status liefern oder Dienstleistungen wie Wartung bestellen, ihre eigene Versicherung abschliessen und Entscheidungen mit dem Vertrauen ihrer Eigentümer treffen.

Maschinen werden zunehmend zu autonomen Marktteilnehmern und eigenständigen Finanzakteuren mit eigenen Bankkonten und Zahlungssystemen. Sie entlasten uns beispielsweise beim Bezahlen von Bahntickets, Skipässen oder Gebühren für Parkhäuser, Strassenmaut etc.

Der Versuch einer Vision

"Schalterhallen verschwinden oder sie kommen ohne Personal aus. Wearables und biometrische Geräte, Fahrzeuge, Maschinen, Wohnungen, Büros und sogar Immobilien werden Informationen melden und Transaktionen direkt mit Banken und Versicherungen in Echtzeit initiieren. Banken definieren sich in neuen Rollen wie etwa Payments-Manager in Ökosystemen, Custodians für Kundendaten und digitale Assets, Trusted Advisors für die Verwaltung digitaler Identitäten, für die Abwicklung von Smart Contracts oder die Handelsfinanzierung von durch IoT überwachten Gütern."

Der Weg zu einer "Banking-of-Things"-Strategie ist aber kein Spaziergang. Er bedingt ein tiefgreifendes Umdenken in Bezug auf die Kundenschnittstelle und die Einsicht, dass eine Bank nicht per se im Kern eines Ökosystems steht. Vor allem werden neue Fähigkeiten erforderlich sein: Fähigkeiten im Ökosystem, im Management sowie im Bereich neuer Technologien wie Cloud, Big Data, Plattform-Management und Blockchain sowie entsprechender IT-Sicherheit.

Am wichtigsten ist die Erkenntnis, IoT-Innovationen nicht als Prozess- oder Produktinnovation zu verstehen, sondern IoT als radikale Geschäftsmodell-Innovation zu entwickeln. Die "Banking-of-Things"-Vision gibt es leider noch nicht von der Stange: just do it yourself!

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