Die besten Schweizer Apps liefern sich ein knappes Rennen
Die Gewinner von Best of Swiss Apps 2019 stehen fest. Die Award Night ging im Zürcher Club Aura über die Bühne. Im Finale setzte sich der Favorit des Publikums gegenüber jenem der Jury durch.
Gestern Abend ist der Showdown gewesen. 10 Mal Gold, 19 Mal Silber und 27 Mal Bronze gab es an der Best of Swiss Apps Award Night 2019. Von einer Entscheidung zur anderen stiegen die Spannung in der Luft, die Hitze wie auch die Stimmung im Zürcher Eventlokal Aura. Je mehr Gewinner, desto ausgelassener die Feier.
Von den 179 Projekteingaben hatten es 47 auf die Shortlist geschafft. Zehn davon kamen die engere Auswahl. Zehn Kandidaten, die um den Titel Master of Swiss Apps 2019 gekämpft haben:
Punkt 18:00 Uhr begrüsste Moderatorin Alexandra Maurer die Gäste und holte anschliessend Christof Zogg, Heinrich Meyer und Martin Matt auf die Bühne. Sie begrüssten die Gäste, dankten den Sponsoren und gaben den Startschuss für die Award Night.
Martin Matt, Geschäftsführer von MJM, gab denn gleich einen Tipp für jene Kandidaten, die es leider nicht schaffen würden. "An alle, die heute nicht gewinnen: Am besten macht man es so, dass man die Jury verflucht", sagte er, was im Publikum für den einen oder anderen Lacher sorgte.
"Die Ausgangslage war noch nie so diffus wie heute", sagte Heinrich Meyer, Leiter des Verlags Netzmedien. Zum ersten Mal traten dieses Jahr nicht nur native Apps, sondern auch Web-Apps an. "Die Technologie ist nicht entscheidend", sagte Jury-Chairman und Starticket-CEO Christof Zogg. Worauf es hingegen ankomme: überzeugende Projekte.
These are the Champions
Nach der Begrüssung ging es gleich weiter mit der Verleihung der Awards. Die erste Kategorie des Abends war Games. Gold gewann das Spiel TapTapWinWin von Apps with love. Jurypräsident Matthias Sala lobte das Konzept der App: Es fokussiere ganz auf das Wesentliche und die gestellten Aufgaben seien schnell, originell und abwechslungsreich.
Weiter ging es mit der Kategorie Business Impact. Gold ging an die Smile App. Auftraggeber ist die Versicherungsagentur Smile. Auftragnehmer sind MPTechnology und KontourDesignStudio. Der Jury gefiel insbesondere die Konsistenz der App. Sie gehe auf sich verändernde Kundenbedürfnisse ein, sagte Jurypräsident Christian Waha.
In der Kategorie Design ging die Goldmedaille an FuWjetzt. Auftraggeber ist Tamedia, Auftragnehmer Namics. Die Typografie der App sei plakativ und erfreue durch eine gute Lesbarkeit, sagte Jurypräsident Christian Woelk. Auch die Struktur von App und Inhalten sei klar und deutlich.
In der Kategorie Campaigns räumte ein Auftraggeber ab, der in der letztjährigen Ausgabe von Best of Swiss Apps den Master-Titel gewann: Die Migros holte sich Gold mit der App Migros Play. Auftragnehmer sind Apps with love und MSM.digital Group. Migros Play mache Augmented Reality für alle erlebbar, sagte Jurypräsident Roland Inderbitzin. Es gelinge der App, traditionelle und digitale Medien nahtlos crossmedial zu verschmelzen.
Gold in der Kategorie MR, AR, VR gewannen die SBB mit "SBB AR". "Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen", sagte Jurypräsident Reto Senn. Letztlich habe sich aber der "Schnellzug SBB AR" durchgesetzt. Das Urteil der Jury: "Wer die App startet, sieht rund um sich herum Echtzeit-Informationen über Fahrpläne, Zugkompositionen – und sogar Verfügbarkeiten von Mobility-Autos. Alle Informationen sind übersichtlich in der echten Welt verankert. Wir sind uns sicher, dass die SBB die Weichen richtig gestellt hat und mit dieser zukunftsweisenden Technologie auf dem richtigen Gleis ist!"
Gold in der Kategorie Innovation gewann "Viadi Zero". Die Idee eines Zero-Click-Fahrplans stamme zwar aus einem stark beackerten Umfeld, sagte Jurypräsident Michael Albertin. Doch die App setze die Messlatte ein ganzes Stück höher. "Zur Optimierung der Fahrplanabfrage erstellt die App mittels Machine Learning eine Vorhersage des Bewegungsprofils und wählt automatisch den aktuell wahrscheinlichsten Zielort", sagte Albertin. Der blitzschnell angezeigte Fahrplan berücksichtige auf Wunsch auch Publibike, Schiffsverbindungen und kürzere Umsteigezeiten für "Schnellgeher". Als Zückerchen könne die App die aktuelle Position von Trams, Bussen und Zügen in Echtzeit anzeigen, sodass Kurzentschlossene ohne unnötige Wartezeit schnell nach Hause kämen – "aber bitte nicht jetzt", scherzte der Jurypräsident.
Die Kategorie Mobile Web feierte dieses Jahr Premiere an Best of Swiss Apps. Gold gewann "LIstory", entwickelt von Bitforge im Auftrag von Liechtenstein Marketing. Jurypräsident Claes Lennman lobte in seiner Laudatio die Idee wie auch die Umsetzung: "Diese Web-App ermöglicht es, auf fantastische Art und Weise wandernd Liechtenstein und dessen Geschichte zu entdecken." In der Handhabung fühle sich die App an wie eine Mobile-App. Ferner nutze LIstory die Fähigkeiten von mobilen Geräten, sei offline verfügbar, klar strukturiert und besteche durch Performance, Fokus und einem klaren Nutzen. "Es ist toll zu sehen, wozu PWAs fähig sind, und wir freuen uns, wenn viele Menschen Liechtenstein mit dieser App entdecken können", sagte Lennman.
In der Kategorie Functionality gewann "VIA Strassenabgaben". Die Eidgenössische Zollverwaltung hatte die App bei TI&M in Auftrag gegeben. Die App digitalisiere das Vor- respektive Anmelden von Fahrzeugen zur Maut am Schweizer Zoll. Die klare Benutzerführung und Transparenz in der Darstellung der Prozesse ermöglichten eine rasche Abwicklung eines mühseligen Prozesses, sagte Jurypräsident Marc van Nuffel und ergänzte: "Auch wenn in Jahren der Klimadebatte der politische Sexy-Faktor fehlt, hat sich die Jury einstimmig dazu bekannt, die vorbildliche Umsetzung mit Gold auszuzeichnen."
Gold in der Kategorie Enterprise holte sich "Five Up – Connect Your Help". Apps with love entwickelte die App im Auftrag von Five up Community. Mit dem Projekt sei die digitale Transformation auch in der Freiwilligenarbeit angekommen, sagte Jurypräsident Michael Quade. Die App digitalisiere die Suche und den Einsatz von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern nachhaltig. Freiwillige könnten Einsätze nicht nur leichter entdecken, man könne damit auch Einsätze ausschreiben. Ein webbasiertes Cockpit unterstütze grössere Organisationen mit weiteren Funktionen und der Einbindung in bestehende CRM-Systeme. "Mögen viele helfende Hände die App installieren!"
In der Kategorie Usability gab es Gold für die "Landesmuseum App", entwickelt von Dreipol und Swiss Development im Auftrag des Schweizerischen Nationalmuseums. Jurypräsident Daniel Felix verkündete das Urteil der Jury: "Wer schon einmal im umgebauten Landesmuseum eine Ausstellung gesucht hat, weiss, dass dies fast nicht möglich ist, ohne sich durchzufragen." Hier schaffe die App Abhilfe. Sie besteche in visueller Hinsicht durch fliessende Übergänge und Animationen. "Bei den Buttons fällt jedoch hie und da ein Label etwas aus dem Rahmen", sagte Felix und ergänzte: "Alles in allem aber eine sehr gut gelungene App, die mit viel Liebe zum Detail umgesetzt ist."
Ein sauer-lustiger Rückblick aufs App-Jahr 2019
Bevor die Master-Wahl startete, gab Jury-Chairman Christof Zogg seinen lang erwarteten Rückblick auf das App-Jahr 2019 zum Besten. Mit einem Augenzwinkern liess er zunächst die Award Night 2018 Revue passieren – mit einem scherzhaften Seitenhieb auf den letztjährigen Gewinner, die Social-Shopping-Plattform "Amigos" von der Migros und Dreipol. "Best of Swiss Apps prämiert konsequent digitale Disruption, aber das heisst noch lange nicht, dass diese am Markt erfolgreich sein wird", sagte Zogg, worauf Gelächter im Saal folgte.
Auch Apple bekam sein Fett weg. "Ich finde ja, Tim Cook hat die Ausstrahlung eines charismatischen Landpfarrers", sagte Zogg. Ob der Apple-Chef sein Unternehmen wohl bald dazu bringe, die iKaffeetasse für 4999 US-Dollar zu lancieren? Immerhin sei Microsoft mittlerweile mehr wert als Apple, was Zogg als bekennender Microsoft-Fan sichtlich freute.
Zoggs Highlight des vergangenen Jahres sei der Digitaltag gewesen. Dieser habe sich dieses Mal gleich mehrfach selbst übertroffen. "Die erste Innovation des diesjährigen Digitaltags: Er fand nicht mehr im Oktober statt, sondern im September", sagte Zogg. Die zweite Innovation: Es gab dieses Jahr keine Selfies mehr. Und zwar aus gutem Grund. Denn: "Ein Selfie am Digitaltag ist ein Karrierekiller." Dafür habe es Infotainment vom feinsten gegeben, mit Claudia Lässer und allen anderen top-digitalisierten Menschen des Landes. Zogg verteilte munter weitere Seitenhiebe, etwa an den Bundespräsidenten. "Ueli Maurer ist ein digitaler Benchmark." Im Alleingang habe er vor allen anderen gemerkt, dass die chinesische App Tiktok das nächste grosse Ding wird.
Publikum überstimmt Jury
Den Höhepunkt des Abends bildete die Masterwahl. Moderatorin Maurer erkläre das Vorgehen, zeigte noch einmal alle Masterkandidaten und gab daraufhin das Signal zur Saal-Abstimmung per App. Amadeus Petrig vom Vorjahressieger Migros betrat die Bühne. Auf die Frage, wie es nach dem letztjährigen Sieg weiterging, sagte er: "Im Projektteam gab es einen riesigen Boost".
Erstmals wurden die Ergebnisse der dreistufigen Wahl in Form eines Balkendiagramms präsentiert. Als erstes erschien das Urteil der Jury, wobei sich die App "LIstory" von Bitforge und Liechtenstein Marketing als klarer Favorit hervortat. Doch die Voten der "Netzwoche"-Leser wie auch des Saal-Publikums ergaben ein anderes Bild. Im Gesamtergebnis gewann "VIA Strassenabgaben" den ersten Platz und somit den Titel Master of Swiss Apps 2019.
"LIstory" rutschte in der Gesamtbewertung auf den zweiten Platz. An dritter Stelle folgte "Migros Play", auf Platz vier "Viadi Zero" und auf Rang Nummer fünf "Smile App".
Und so war die beste Schweizer App des Jahres gewählt. Die Eidgenössische Zollverwaltung und TI&M konnten ausser Gold in der Kategorie Functionality auch den Master-Titel mit nach Hause nehmen. Vorher freuten sich die Gäste allerdings noch über das Dessert und liessen die Award Night mit einer Party ausklingen.
Wer den Abend noch mal durchleben möchte, der findet alle Highlights im Liveticker der Netzwoche.