Zins minus Teuerung gleich Verlustgeschäft
Schuldenhoch, Minuszins und Rekord-Inflation – das Finanzsystem gerät aus den Fugen. Was tun, wenn das Sparen zum Verlustgeschäft verkümmert? Bitcoin bietet sich an. Doch die Investition in Kryptos lohnt sich nur dann, wenn man weiss, wozu sie taugen und wozu nicht.
Ganz offensichtlich läuft in unserem Finanzsystem einiges schief: rekordhohe Schulden, rekordtiefe Zinsen und in Teilen der Welt liegen Inflationsraten auf neuen Rekordmarken. Die Staatsverschuldung macht heute fast 40 Prozent der weltweiten Gesamtverschuldung aus, der höchste Anteil seit Mitte der 1960er Jahre – Rekord!
Das führt dazu, dass der Zins quasi abgeschafft wurde. In der Schweiz notiert der Leitzins sogar im negativen Bereich. Und seit geraumer Zeit haben viele Staaten ein ernsthaftes Problem mit der Teuerung. Wir Eidgenossen dürfen uns (noch) glücklich schätzen, die Teuerung liegt bei rund 1,5 Prozent und damit 3,5 bis 5,5 Prozentpunkte niedriger als in der Eurozone und in den Vereinigten Staaten.
Die Dummen sind eigentlich die privaten Sparer und die junge Generation. Es findet eine Geldentwertung statt: (Mager-)Zins minus Teuerung gleich Verlustgeschäft. Dass viele Notenbanken die Inflation nicht unter Kontrolle haben, zeigt das Beispiel USA. Der US-Notenbankchef sagte im April 2021: "Wir streben weder eine Inflation an, die 2 Prozent wesentlich übersteigt, noch streben wir eine Inflation über 2 Prozent für einen längeren Zeitraum an." Die Realität sieht anders aus: Die US-Inflation liegt inzwischen bei 7 Prozent – das ist der höchste Wert seit 1982.
Wenn Preise steigen, zeitgleich die Reallöhne nicht zunehmen, dann hat unser Geld einfach weniger wert. Basta. Für diese Rechnung muss man kein Ökonom sein. Geld auf dem Konto ist ein Verlustgeschäft. Alternativen sind Aktien oder Immobilien. Doch diese Anlageklassen sind überhitzt.
Ein Inflationsschutz – und auch eine Antwort auf das fragile Finanzsystem – lässt sich im Kryptosegment finden, beim Bitcoin. Noch ist die Zahl der Bitcoin-Aficionados in der Minderheit. Doch immer mehr Anleger und Unternehmen springen auf diesen Zug. Einige Kleinanleger hoffen auf schnelle Gewinne und scheitern oft.
Die Klugen hingegen sehen Bitcoin aus der Perspektive eines stabilen Wertspeichers. Für diese Gruppe ist die hohe Volatilität nebensächlich. Die starken Kursentwicklungen, wie bei einem Rückgang im Januar 2022, ist dann auch der Moment, in dem die Bitcoin-Kritiker Hochkonjunktur haben. Sie erklären das digitale Gold für tot. Gemäss dem Rechercheportal "99bitcoins", das weltweit Medien- und Expertenaussagen analysiert, wurde Bitcoin bereits 444 Mal für tot erklärt.
Die Kritikpunkte gehen immer in gleiche Richtung: hohe Schwankungen, keinen inneren Wert, Währung der Kriminellen, eine Energiebestie oder ein nicht skalierbares System, das nur 7 Transaktionen pro Sekunde abwickeln kann. Für jeden dieser Kritikpunkte gibt es Antworten, und an Lösungen wird gearbeitet. So können beispielsweise über das Bitcoin-Lightning-Netzwerk mehrere zehntausend Transaktionen pro Sekunde abgewickelt werden. Und an der Energiefront entstehen neue Nachhaltigkeitsprojekte.
Das Bitcoin-Netzwerk entwickelt sich weiter, ist vom Kind zum Teenager gewachsen und wird nun erwachsen. Bitcoin ermöglicht etwas, das wir auf kaum einem anderen Wege erreichen können: nicht-zensierbare, nicht-manipulierbare Transaktionen in einem global verteilten, dezentralen Netzwerk, das jeder ohne Erlaubnis benutzen kann, und es gibt keine staatlichen Interventionen.
Bitcoin kann sich zu einer alternativen Form der Wertsicherung von Vermögen entwickeln. Doch des Pudels Kern liegt in der Inflation: Bitcoin ist auf 21 Millionen begrenzt, nicht mehr und nicht weniger. Damit ist Bitcoin inflationresistent – im Gegensatz zur heutigen (Fiat-)Welt.
Rino Borini ist Gründer/CEO von Scarossa und der Digital-Finance-Plattform "Finance 2.0". Zudem ist er Dozent & Studiengangsleiter der CAS-Lehrgänge "Digital Finance" und "Digital Insurance" an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.