Künstliche Intelligenz in der Medizin

Wie KI helfen kann, angeborene Herzfehler zu erkennen

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von Julia Vogt, Department of Computer Science, ETH AI Center, Zürich

Ultraschall wird routinemässig zur Früherkennung von angeborenen Herzfehlern bei Säuglingen eingesetzt. Jedoch braucht es ein geschultes Auge und viel Erfahrung, um relevante Merkmale auf verrauschten Bildern zu erkennen. Hier könnte maschinelles Lernen den klinischen Alltag erleichtern.

Gesundheitsdaten werden heute in einem noch nie dagewesenen Umfang gesammelt und gespeichert. Im Zuge der technologischen Entwicklungen stehen nicht nur die in den Patientenberichten erfassten Daten zur Verfügung, sondern auch Bilddaten aus Röntgen-, Magnetresonanz-, Computertomographie- und Ultraschalluntersuchungen. Dazu kommen Zeitreihendaten, die mithilfe von am Körper getragenen Sensoren erfasst werden, und die sogenannten Omics-Daten. Allein der Umfang und die Heterogenität der erhobenen Daten machen deutlich, dass wir langfristig eine automatisierte und datengesteuerte Auswertung und Analyse benötigen.

Maschinelles Lernen (ML) im Gesundheitswesen zielt unter anderem darauf ab, in den verfügbaren Daten Muster zu erkennen, die mit medizinischen Zuständen korrelieren. Das Ziel ist es, Klinikern Entscheidungshilfen für Diagnose oder Behandlung an die Hand zu geben. Ein Beispiel aus meiner aktuellen Forschungstätigkeit ist die automatisierte Analyse von Echokardiogrammen beziehungsweise Ultraschallvideos zur Erkennung der pulmonalen Hypertonie (PH) bei Neugeborenen und Säuglingen – eine komplexe Erkrankung, die mit verschiedenen Lungen-, Herz- und Systemerkrankungen einhergeht. Die genaue und frühzeitige Erkennung der PH ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung; die Beurteilung der Ultraschallvideos ist jedoch sowohl zeitaufwändig als auch fachlich anspruchsvoll. Einerseits zeigen sich verschiedene Herzfehler im Ultraschall nur in feinen Abweichungen vom Bild eines gesunden Herzens, andererseits sind die Videodaten inhärent verrauscht und erschweren so die Extraktion relevanter Abweichungen. Umso wünschenswerter ist eine computergestützte Auswertung.

Unser Deep-Learning-Ansatz "interpretable prediction of pulmonary hypertension in newborns (IP-PHN)" zur Vorhersage der pulmonalen Hypertonie basiert auf Ultraschallvideos von Neugeborenen, aufgenommen aus fünf verschiedenen Blickwinkeln. Wir konnten damit den Schweregrad der PH automatisch bewerten, ohne dass mühsame manuelle Messungen der Herzkammern wie beim klinischen Standardarbeitsablauf erforderlich sind. Darüber hinaus kann unser Modell Informationen darüber liefern, welche Bildmerkmale für die automatisierte PH-Bewertung ausschlaggebend waren – es kann mithilfe einer Salienzkarte visuell dargestellt werden, wie stark welche Bildanteile in die Entscheidung der KI eingeflossen sind. Erst mit diesen zusätzlichen Informationen werden die Ergebnisse für Kliniker interpretierbar, nachvollziehbar und letztlich vertrauenswürdig.

Die Salienzkarten zeigen ausserdem, dass sich IP-PHN bei der Entscheidungsfindung auf dieselben klinisch relevanten Merkmale stützt, die von Klinikern bei der subjektiven Beurteilung der PH verwendet werden. Ein wichtiger Befund, zeigt er doch, dass IP-PHN einen beträchtlichen klinischen Einfluss haben könnte, indem der Ansatz die Genauigkeit von PH-Diagnosen bei Echokardiogramm-Untersuchungen erhöht sowie die Zahl der späten oder übersehenen PH-Diagnosen verringert. Eine solche automatisierte PH-Beurteilung kann die Arbeitsbelastung hochqualifizierter Experten verringern und weniger gut ausgebildete Spezialisten dabei unterstützen, zuverlässige Diagnosen zu stellen.

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