Jets, Crispr und Pop
Eine deutsche Kampfjetpilotin erzählt, warum sie in der Luftwaffe gelandet ist. Ein österreichischer Molekularbiologe spricht über die grossen Fragen der Genscheren-Forschung. Und Seven gibt ein paar Pop-Nummern zum Besten - das war die Smart Energy Party 2022.
Die Smart Energy Party versammelt zwar die schweizerische Prominenz aus Politik und Energiewirtschaft, doch auf der Bühne spricht man über alles Mögliche - bloss nicht über Energiepolitik. Dafür gebe es jede Menge anderer Formate; hier stehe hingegen das Feiern im Vordergrund, sagte Moderator Stefan Büsser zur Begrüssung. Obwohl: Das Wichtige passiert an diesem Anlass nicht auf der Vorderbühne. Denn die rund 1000 Gäste, die auch aus den Branchen Gebäudetechnik, ICT und Mobilität kommen, waren nicht wirklich zum Feiern da, sondern fürs Networking.
Gastgeber Kurt Lüscher hatte allerdings durchaus Grund zum Feiern, nämlich das 10-Jahre-Jubiläum des Events. Und einen Abschluss: Lüscher organisierte die Party zum letzten Mal. Electrosuisse, der Fachverband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik, übernimmt die Veranstaltung und will sie in gewohnter Manier weiterführen respektive weiterentwickeln. Lüscher liess jedoch durchblicken, dass er künftig nicht nur weiterhin teilnehmen, sondern womöglich auch eine Rolle im Organisationskomitee spielen werde.
Weniger Scheuklappen, mehr Flexibilität
Wie hat das alles angefangen? Lüscher blickte auf seine Zeit im Top-Management von Telko-Unternehmen wie Sunrise zurück. "Da habe ich gestaunt, wie viele Unternehmen nur mit sich selbst beschäftigt sind." Trotz branchenübergreifender Herausforderungen. Das habe ihm zu denken gegeben. Und weil es in der ICT-Branche bereits grosse Networking-Events gab, habe er sich gedacht: "Machen wir einfach Copy-and-Paste."
Moderator Stefan Büsser (l.) und Gastgeber Kurt Lüscher. (Source: Markus Senn)
Für die Zukunft wünsche er sich, dass man das Energiesystem ganzheitlich betrachte. "Es braucht zudem flexible und moderne Regulierungen - eigentlich auch Marktöffnung, aber darüber spricht man heutzutage nicht mehr, was traurig ist", sagte er.
Seine persönlichen Highlights aus 10 Jahren Smart Energy Party seien die Begegnungen mit den Referentinnen und Referenten, wobei Lüscher insbesondere Carla del Ponte hervorhob. Die ehemalige Bundesanwältin und Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag gab 2017 einen Einblick in ihre Arbeit und erzählte, wie sie von der Tessiner Staatsanwaltschaft in die internationale Politik und Diplomatie geriet.
Mehr Faulheit im Management
Die diesjährige Erstreferentin sei abgehoben, sagte Moderator Büsser - allerdings nicht im übertragenen Sinne. Nicola Winter war Kampfjetpilotin der deutschen Bundeswehr. Dort durfte sie einen Eurofighter fliegen, wie sie sichtlich stolz sagte. Die Maschine sei vergleichsweise klein, aber ganz schön teuer (100 Millionen Euro). Und es mache sehr viel Freude, so etwas zu fliegen.
Kampfjetpilotin Nicola Winter. (Source: Markus Senn)
Winter gab den Gästen eine "Bundeswehr-Weisheit" mit auf den Weg: Wer klug und gleichzeitig faul sei, eigne sich für die höchsten Führungsaufgaben. "Faulheit" bedeute in dieser Hinsicht jedoch nicht Bequemlichkeit, sondern die Abneigung, die Dinge ineffizient und mehrmals zu erledigen.
Ungeahnte Chancen, die heikle Fragen aufwerfen
Der Wiener Molekularbiologe Martin Moder sprach anschliessend über die Möglichkeiten der modernen Gentechnik mithilfe der Genschere Crispr. Sie ermöglicht es, das Erbgut respektive das Genom eines Lebewesens auf hochpräzise Weise zu verändern. So sei man heutzutage beispielsweise in der Lage, ein bestimmtes Protein namens Myostatin auszuschalten, das sich in den Muskelfasern bildet. Bei Tieren führe dies zu gesteigertem Muskelwachstum. Ein Beispiel dafür liefert die Rinderrasse "Weissblaue Belgier" - die tatsächlich absurd muskulös aussieht, allerdings aufgrund einer natürlichen Myostatin-Mutation, wie Moder in einem Beitrag auf "scienceblogs.de" ausführt.
Theoretisch könnte man mithilfe von Crispr auch das Muskelwachstum beim Menschen steigern. "Die Frage ist nur, ob ein Mensch so blöd wäre, sich das anzutun", fragte Moder rhetorisch. Die Antwort liegt leider auf der Hand. Das zeigt auch das sogenannte Goldman-Dilemma, benannt nach dem US-amerikanischen Arzt Bob Goldman. 1982 führte er erstmals eine Studie durch, die ergab, dass 50 Prozent der Hochleistungssportler bereit wären, innerhalb von fünf Jahren zu sterben, wenn ihnen die Einnahme einer Droge den Gewinn einer Goldmedaille sichern würde.
Martin Moder, Molekularbiologe und Mitglied der "Science Busters". (Source: Markus Senn)
Die Gentechnik erlaubt heutzutage also auch äusserst heikle Eingriffe ins Erbgut - und die Menschen müssen wohl erst noch lernen, wie man mit den entsprechenden Möglichkeiten umgehen sollte. Die Chancen seien jedoch wahnsinnig vielversprechend, sagte Moder. Dank Crispr könnte es zum Beispiel dereinst möglich sein, Gendefekte schnell und zielsicher zu reparieren. "Woran man heute noch forscht, wird in zehn Jahren richtig dicke Dinger abwerfen."
Tanzbares zum Mitklatschen
Zum Abschluss des Bühnenprogramms gab es eine musikalische Einlage vom Aargauer Soulsänger Seven. Im Trio mit einer Keyboarderin und einem Gitarristen setzte sich der Sänger auch mal ans Schlagzeug, spielte ein paar Pop-Balladen sowie einen durchaus tanzbaren Funk-Song. Das Publikum, nach dem Essen noch auf den Stühlen sitzend, nahm immerhin die Gelegenheit wahr, im Takt mitzuklatschen.
Setzte sich auch mal ans Schlagzeug: Soulsänger Seven. (Source: Markus Senn)
Das Datum für die nächste Smart Energy Party steht bereits fest. Sie soll am 26. Oktober 2023 über die Bühne gehen.
An der letztjährigen Ausgabe standen übrigens zwei Spitzensportlerinnen, eine Mathematikerin mit Faible für künstliche Intelligenz und eine Kontorsionistin auf dem Partyprogramm. Lesen Sie hier mehr dazu.