So steht es um das Sorgenkind EPD
Die Einführung des elektronischen Patientendossiers (EPD) in der Schweiz gestaltet sich kompliziert und schleppend. Für Spitäler besteht seit drei Jahren und für Pflegeheime seit einem Jahr die gesetzliche Pflicht, sich ans EPD anzuschliessen – doch per April 2023 waren gemäss Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) weniger als die Hälfte der Spitäler und nur ein Drittel der Pflegeheime so weit. In der Bevölkerung ist die Skepsis offenbar noch grösser: Seit Anfang 2021 kann man hierzulande EPDs eröffnen; zwei Jahre später zeigt sich jedoch: Nur die wenigsten sind dazu gewillt. Gemäss BAG haben per Mitte April 2023 nur 19'481 Menschen in der Schweiz ein EPD eröffnet. Das entspricht einem Anteil von 0,2 Prozent an der ständigen Wohnbevölkerung.
Doch nun soll das Projekt vorankommen. Der Bundesrat hat eine umfassende Gesetzesrevision angestossen, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Doch für das BAG steht auch fest, dass die aktuelle Form zumindest vorerst bestehen bleibt, wie Nassima Wyss-Mehira, Vizedirektorin und Mitglied der Geschäftsleitung des BAG, in ihrem Fachbeitrag schreibt. Sie führt aus, welche Features – etwa ein digitaler Impfausweis oder ein elektronisches Rezept – das EPD demnächst ergänzen und wie die Anbindung der Primärsysteme von Spitälern oder Praxen künftig besser gelingen soll.
Spätestens seit der Übernahme des EPD-Anbieters Axsana hat auch die Post ein Interesse daran, das EPD-Projekt voranzubringen. Wie das funktionieren soll, beschreibt Matthias Glück, Geschäftsführer von Post Sanela Health (vormals Axsana). Ein entscheidender Faktor sei ein möglichst unkomplizierter Eröffnungsprozess – sprich: die Möglichkeit zum digitalen Self-Onboarding. In sechs Kantonen ist das bereits möglich. Was aus Sicht der Post ausserdem fehlt, um dem EPD zum Erfolg zu verhelfen, führt Glück in seinem Fachbeitrag aus.
Adrian Schmid kennt sich mit den Schwierigkeiten der EPD-Implementierung bestens aus. Als ehemaliger Leiter von eHealth Suisse fungierte Schmid gewissermassen als «nationaler Koordinator» der EPD-Einführung. Der heutige Präsident des Vereins IHE Suisse kritisiert, dass die Eigeninteressen weniger Stakeholder die Diskussion um das EPD dominieren. Die Folge: Netzwerke mit beschränkter Reichweite und immer neue Bruchstellen in der Behandlung, wie Schmid schreibt. In seinem Beitrag plädiert er konsequenterweise für eine patientenzentrierte Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen.
Das Fürstentum Liechtenstein hat die Schweiz in puncto E-Health längst überholt. Seit vergangenem Juli sind alle Gesundheitsdienstleister im Kleinstaat mit rund 39'000 Einwohnern dazu verpflichtet, Patientendaten im elektronischen Gesundheitsdossier EGD, dem Liechtensteiner Pendant zum EPD, zu erfassen. Ausserdem führte Liechtenstein die Opt-out-Regelung bereits ein, die in der Schweiz noch zur Debatte steht. Christian Wolf, Präsident des Vereins eHealth Liechtenstein, spricht darüber, wie das alles in der Bevölkerung ankommt, wie er die EPD-Diskussion in der Schweiz wahrnimmt und wo seiner Ansicht nach das grösste Problem liegt. Es liege jedenfalls nicht an der IT-Lösung, sagt er im Interview, sondern vor allem daran, dass die rechtlichen Bestimmungen und architektonischen Vorgaben in der Schweiz völlig übers Ziel hinausgeschossen seien.