Wie eine digitale Landkarte für mehr Transparenz sorgen kann
Enterprise Architecture (EA) ist ein sperriges Thema und scheitert in Unternehmen häufig an bürokratischen Hürden und mangelndem Verständnis. Wieso Unternehmen besser von einer digitalen Landkarte sprechen sollten und wie EA-Management in der Praxis funktioniert, erfuhren Besucherinnen und Besucher des IT-Transformation & Enterprise Architecture Panel 2024.
An einem raren sonnigen Nachmittag hat sich am 28. Mai in Zürich alles um das Thema Enterprise Architecture (EA) gedreht. Die BOC Group lud zusammen mit Adesso Schweiz zu ihrem IT-Transformation & Enterprise Architecture Panel. Dabei sprachen Expertinnen und Experten über den Erfolg von digitalen Transformationsprojekten und weshalb Transparenz dafür entscheidend ist. Im Laufe des Nachmittags erfuhren die Besucherinnen und Besucher anhand von theoretischen und praktischen Beispielen, wie die Umsetzung einer Unternehmensarchitektur erfolgreich gelingen kann.
Vom Imageproblem zur digitalen Landkarte
Den Start machten Jean-Jacques Pittet, Head of CIO Advisory bei Adesso und Alexander Kleinsasser, Business Development bei der BOC Group Schweiz. Enterprise Architecture habe einen schweren Stand, da es vielen Unternehmen schwerfalle, dieses Konzept richtig zu verankern. Gleichzeitig scheiterten jedoch viele digitale Transformationsprojekte an der steigenden IT-Komplexität, mangelnder strategischer Planung und ungenügendem Wissen. Das Enterprise Architecture Management habe dabei folgendes Ziel: Die strategische Gesamtplanung von Fachapplikationen, Technologien, Prozessen und Organisationen, um sicherzustellen, dass sie harmonisch zusammenwirken und die Geschäftsziele effektiv unterstützen.
Doch wie Pittet erklärte, schrecken bürokratische Hürden, negative Erfahrungen, fehlende Standards oder Unsicherheit die Unternehmen ab. Er schlug deshalb vor, nicht mehr von Enterprise Architecture zu sprechen, sondern von einer "digitalen Landkarte". Man müsse eine Terminologie finden, die auch ausserhalb der Fachkreise auf Anklang stosse. Sie sollte fassbar und verständlich sein. Die digitale Landkarte solle dazu dienen, die verschiedenen Vernetzungen aufzuzeigen und schliesslich die Fragen der verschiedenen Stakeholder zu beantworten.
Alexander Kleinsasser, Business Development bei der BOC Group Schweiz, und Jean-Jacques Pittet, Head of CIO Advisory bei Adesso (v.l.). (Source: Netzmedien)
Zur digitalen Landkarte komme man in drei Schritten: Erstens müssten Ziele und Nutzen definiert, ein Organisationshandbuch erstellt und eine Tool-Auswahl getroffen werden. Zweitens müssten Schulungen und Inventare durchgeführt und so die digitale Landkarte erstellt werden. Drittens werde die digitale Landkarte als Führungsinstrument etabliert, eine Community of Practice (CoP) geschaffen und Marketingmassnahmen ergriffen werden.
So viel Architektur wie nötig
Von der Theorie ging es direkt zu einem Praxisbeispiel. Hélène Mourgue d’Algue, CIO der Stadt Biel, stellte dem Publikum EAM als Teil der ordentlichen Governance vor. In der Vergangenheit habe zwar jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin in der IT gewusst, welche Aufgaben in ihren Bereichen zu erfüllen seien. Jedoch habe ein Gesamtüberblick gefehlt. Mourgue d’Algue habe deshalb den Pilgerstab in die Hand genommen, um für Übersicht zu sorgen. Zunächst habe die Verwaltung eine solide IT-Governance etablieren müssen. Um Management, IT und rechtliche Grundlagen in Einklang zu bringen, setzte sie auf das Cobit-Framework. Im zweiten Schritt baute Biel die Unternehmensarchitektur nach dem Togaf-Standard auf. Ihr Motto lautete dabei: "Just enough architecture". "Wir machen das, was benötigt wird und nicht mehr", sagte Mourgue d’Algue.
Hélène Mourgue d’Algue, CIO der Stadt Biel. (Source: Netzmedien)
Anschliessend ging es an die Implementierung und die Modellierung, um festzulegen, welche Applikationen, Leistungen und Technologien benötigt werden. Mit der entstandenen Übersicht sei es den Verantwortlichen nun möglich, alle Schnittstellen zu verwalten und die IT-Infrastruktur genau zu überwachen. Die Unternehmensarchitektur bilde die Grundlage für die digitale Transformation. In einer datenzentrierten Organisation seien Transparenz und Verständnis über die Datenflüsse und Systeme essenziell.
Datengesteuerte Organisationen brauchen ein Inventar
Nach einer Kaffeepause ging es weiter mit dem Thema datengesteuerte Organisation. Ralf Schmidt, Leiter Data & AI bei Adesso, zeigte dem Publikum auf, welche Rolle Enterprise Architecture Management spielt. Datengetriebene Unternehmen lassen sich laut Schmidt in vier grundlegende Säulen kategorisieren: Datenbasierte Entscheidungen, "Self-Service"-Analysen (Daten sind für alle zugänglich und Analysen für alle durchführbar), Relevanz (Daten als Asset strategisch wichtig) und Unterstützung (Geschäftsprozesse werden durch Daten unterstützt).
Daten seien ein wertvolles Asset und müssten deshalb als solches behandelt werden. Zentral für eine datengesteuerte Organisation sei die Inventarisierung von Daten. Ein Inventar sorge für eine einheitliche "Sprache" und schaffe Transparenz. Wichtig sei, dass das Dateninventar nicht nur auf technologischer, sondern auch auf Businessebene aufgebaut werde.
Der Aufbau erfolge in mehreren Schritten: Zunächst werde eine Bestandsaufnahme durchgeführt, um zu ermitteln, wer mit Daten arbeitet und welche Systeme priorisiert werden müssen. Anschliessend werde eine Grundausrichtung erarbeitet, um Verantwortlichkeiten und Strategien festzulegen. Danach werde das Inventar aufgebaut und Anwendungsbereiche und Verantwortlichkeiten festgelegt. Schlussendlich werde das Inventar iterativ erweitert, um Fortschritte zu messen und weitere Stakeholder an Bord zu holen. Dadurch sorge man dafür, dass das Projekt seine Relevanzberichtigung erziele. Schmidts Vortrag verdeutlichte, dass der Weg zur datengesteuerten Organisation ein kontinuierlicher Prozess ist, der sowohl technisches als auch organisatorisches Wissen erfordert.
Enterprise Architektur für die Enterprise
Den Abschluss machte ein weiteres Praxisbeispiel, dieses Mal von der Zurich Versicherung. Zurich habe in den vergangenen Jahren einen signifikanten Wandel in seiner Enterprise Architektur durchlaufen. Daniel Wiczynski, Lead Enterprise Architect, erklärte, dass ursprünglich eine zentrale EA existierte, diese aber mit viel manuellem Aufwand verbunden gewesen sei. Im Unternehmen sei das Set-up als behindernd wahrgenommen worden. Mit den zunehmenden Herausforderungen in den Bereichen Agility, Cloud und KI habe man sich deshalb organisatorisch umverteilen müssen. Die Transformation der EA habe zu einer Umverteilung der Architekturaufgaben geführt. Architekten wurden in den jeweiligen Solution Domains angesiedelt und seien nun für die Kommunikation innerhalb ihrer Domäne zuständig. Bei der EA drehe sich alles darum, Informationen aus verschiedenen Architekturdisziplinen zu visualisieren, dokumentieren, analysieren und Handlungsfelder zu entwickeln. Die EA müsse die Demokratisierung von Architekturinformationen unterstützen und zu einem integralen Bestandteil des Unternehmens werden.
Daniel Wiczynski, Lead Enterprise Architect, Zurich. (Source: Netzmedien)
Jan Probst, Business Architect bei Zurich, zeigte anschliessend, wie man die Mitarbeitenden dazu bringt, bei diesem Vorgehen mitzumachen. Compliance und Governance böten zwar zunächst einen gewissen Anreiz. Doch langfristig sei die intrinsische Motivation ausschlaggebend. Zurich habe deshalb viel daran gesetzt, ihren Mitarbeitenden den Mehrwert der EAM-Lösung aufzuzeigen - im Klartext, wie sie am Ende selbst davon profitieren können. Mit der neuen Architektur habe man die Grundlage für einen effizienten IT-Governance-Prozess geschaffen.
Jan Probst, Business Architect bei Zurich. (Source: Netzmedien)
Nach den Vorträgen hatten die Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit bei einem Apéro und Networking-Gelegenheiten den Tag ausklingen zu lassen.
Wieso Compliance eine Reise ohne Ende ist, erfuhren Besucherinnen und Besucher des "Business Compliance Transformation Talk". Hier lesen Sie den Bericht.