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"Meine Mitarbeiter lernen gerade, wie man mit 'Skype for Business' umgeht"

Uhr | Aktualisiert
von Marc Landis, Chefredaktor

Der Schweiz stehen mit der Digitalisierung der Wirtschaft grosse Herausforderungen bevor. Im Interview erklärt ­Bundespräsident Johann N. Schneider­-Ammann, wo er die Schweiz sieht.

Bundespräsident Johann N. Schneider-Ammann. (Quelle: Beatrice Devenes)
Bundespräsident Johann N. Schneider-Ammann. (Quelle: Beatrice Devenes)

Die Digitalisierung der Wirtschaft ist in der Schweiz zwar im Gang und doch sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen riesig. Was muss geschehen, damit die Schweiz bei der Digitalisierung den Anschluss nicht verpasst?

Johann N. Schneider-Ammann: Die Schweiz ist grundsätzlich gut positioniert, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern: Im Network Readiness Index des WEF belegt sie den 6. Platz. Hinter Singapur und den skandinavischen Ländern, aber vor den Vereinigten Staaten und den meisten europäischen Nachbarn. Wir haben ein hervorragendes Bildungs- und Forschungssystem, gehören zu den innovativsten Ländern der Welt. Viele unserer Firmen sind schon gewappnet und gehen mit gutem Beispiel voran. Andere, darunter viele KMUs, sind sich teilweise wohl noch nicht bewusst, welche grossen Umwälzungen auf uns zukommen. Die Digitalisierung beschleunigt nicht nur den technologischen Wandel, sie verstärkt auch die Regeln der Globalisierung. Längst nicht nur für die IT-Branche gilt: Der wahre Konkurrent ist nicht mehr die Firma von nebenan. Sondern das noch unbekannte Start-up in Bangalore oder São Paolo, das mit einer revolutionären Idee eine ganze Branche umpflügen und in Schwierigkeiten bringen kann. Die Schweizer Antwort kann nur lauten: Innovation ist Trumpf. Nur wer sich permanent erneuert, hat eine Chance zu überleben – und weiterhin Erfolg zu haben.

Start-ups haben in der Schweiz aber keinen leichten Stand, weil es oft an ­Risikokapitalgebern fehlt. Wie engagiert sich Ihr Departement dafür, dass sich die Rahmenbedingungen für Start-ups verbessern?

Wie viel in einem Land in Start-ups investiert wird, ist ganz stark auch eine Frage der Kultur. Eine Anekdote dazu: Ich hatte als Unternehmer einst selbst in ein Start-up an der US-Westküste investiert. Das Projekt scheiterte – und am Tag danach wurde ich im Rotary Club der Region gefeiert. Scheitern ist im Silicon Valley nichts Negatives, sondern der erste Schritt zum Erfolg. Die Amerikaner haben eine andere Kultur beim «risk taking». Diese Kultur lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Aber in der Schweiz ist auch nicht alles schlecht: Bei der Unterstützung in der Anfangsphase von Start-ups stehen wir gut da. Schwieriger wird es, wenn es für den Übergang zur tragfähigen Firma um Beträge von mehreren Millionen geht. Im Rahmen der vom Bundesrat angenommenen Motion wird zurzeit die Möglichkeit eines erleichterten Engagements der Pensionskassen in diesem Bereich geprüft. Ob das ein guter Weg ist, das müssen wir sehr sorgfältig abklären.

Welchen Einfluss hat die Frankenstärke auf die Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft?

Die Abschaffung des Euro-Mindestkurses liegt noch nicht weit genug zurück, um über ein realistisches Bild von den langfristigen Auswirkungen zu verfügen. Aber die Schweizer Wirtschaft hatte schon immer mit einer starken Währung zu leben. Unsere Unternehmen haben immer mit besserer Qualität und mehr Innovation auf diese Herausforderung antworten können. Und heute heisst Innovation oftmals Digitalisierung von Prozessen und Produkten, verbunden mit neuen Dienstleistungsmöglichkeiten. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Frankenstärke langfristig die Digitalisierung antreibt und fördert. Kurzfristig werden aber auch Investitionen zurückgestellt, und das ist eine gefährliche Entwicklung.

Wo sehen Sie die Chancen der Digitalisierung für die Schweizer Wirtschaft?

Jede innovative Firma in der Schweiz kann davon profitieren – vom Industrie- bis zum Pharmaunternehmen. Gerade in Bereichen wie Digital Health Care oder Datastorage hat unser Land viel zu bieten. Wir haben jede Menge kreative Köpfe, die Produkte und Dienstleistungen dank der neuen ICT-Möglichkeiten praktisch neu erfinden können. Ein Beispiel: Ich sprach kürzlich mit einem Vertreter eines Schweizer Anbieters, der in den letzten Jahren vom klassischen Schloss- und Schlüsselhersteller zum globalen Zutrittsverwalter von internationalen Hotels wurde.

Sie sprechen es an: Es geht bei der ­Digitalisierung nicht ohne ICT. Dennoch ist die ICT-Branche im Parlament untervertreten. ­Welche Möglichkeiten haben Sie als Wirtschaftsminister, der ICT-Branche zu dem Gewicht zu verhelfen, das sie entsprechend ihrer Wirtschaftskraft verdient?

Ich plädiere schon lange für eine bessere und aktivere politische Beteiligung der Wirtschaft. Nicht nur per Lobbying, sondern auch indem politische Mandate und die dazugehörige Verantwortung übernommen werden. Das gilt für alle Wirtschaftszweige. Auch für die ICT-Branche, die immer wichtiger wird. Sie hat schon heute starke Exponenten im Parlament. Allen voran der ICT-Switzerland-Präsident und Ständerat Ruedi Noser. Er macht sich für eine innovative und digitale Schweiz stark und unterstützt so die gesamte ICT-Branche.

Die Wirtschaftsverbände und insbesondere die Vertreter der ICT-Branche beklagen, dass den MINT-Fächern in der ­Schulbildung zu wenig Gewicht beigemessen wird. Wo sehen Sie bei der schulischen Grundbildung Nachhol­bedarf in diesem Zusammenhang?

Die MINT-Fächer sind und bleiben mir ein wichtiges Anliegen. Mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innova­tion sind wir zusammen mit den Kantonen engagiert, um mehr Junge für technische Ausbildungen zu begeistern und MINT zu stärken. Selbstverständlich bleiben auch andere Fächer wie die Sprachen sehr wichtig. Eine wichtige Rolle haben auch die Branchen und Unternehmen: Um das Interesse an den MINT-Fächern zu erhöhen und bei unseren jungen Leuten die Begeisterung für die Technik zu wecken, sind etwa Tage der offenen Tür und Schnupperlehren geeignete Aktionen.

Die EU plant die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes. ­Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Schweiz?

Die Schweiz muss diese Entwicklung genau verfolgen, um nicht von plötzlichen Entwicklungen überrascht zu werden, die ihre Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Markt verschlechtern könnten. Die Digital-Single-Market-Strategie der EU ist eine integrierte Strategie, mit der die grenzüberschreitenden Regeln harmonisiert und vereinfacht werden sollen. Die Schweiz kann hier keinen Alleingang einschlagen. Konkrete Verhandlungsbestrebungen gibt es aber noch nicht. Das heisst jedoch keineswegs, dass wir nichts unternehmen. So soll etwa unser Urheberrecht modernisiert werden, um es besser an die Realitäten des Internets anzupassen. Die Schweiz arbeitet natürlich auch an einer Strategie für die Cybersicherheit. Kurz, unser Land hat in diesem Bereich zahlreiche Baustellen.

Die Schweiz ist 2016 Gastland an der Cebit. Welche Impulse ­erhoffen Sie sich davon für die Schweizer ICT-Branche beziehungsweise für die gesamte Schweizer Wirtschaft?

Ich erhoffe mir ein grosses Interesse aller – und ich meine wirklich aller – Wirtschaftsbranchen für diese Ausstellung. Die 4. industrielle Revolution, die sich immer deutlicher abzeichnet, betrifft die ganze Wirtschaft. Die Unternehmen, die es noch nicht getan haben, müssen so schnell wie möglich die Chancen ergreifen, die ihnen die neuen ICT-Technologien bieten. Die Cebit ist ein guter Anfang für einen Crashkurs oder für die Weiterbildung in Sachen Digitalisierung. Dann wird auch die Schweizer ICT-Wirtschaft davon profitieren: Sie ist ja schon heute ganze vorne mit dabei.

Die Schweiz hat letztes Jahr laut einer Studie des Instituts für Wirtschafts­studien Basel für total 18,2 Milliarden Franken ICT-Dienstleistungen und -Waren exportiert. Wie kann die Schweiz diese Exporte weiter steigern?

Wie bei allen Schweizer Exporten können wir uns hier auf Qualität, Zuverlässigkeit und Innovation berufen. Der gute Ruf der Schweiz als verlässlicher Partner mit hohen Sicherheitsstandards und gut funktionierendem Rechtsstaat ist ein wichtiger Standortvorteil: Viele Kunden werden etwa einer Schweizer ICT-Firma ihre Daten leichter anvertrauen als Anbietern aus anderen Ländern. Das ist in der modernen Digital-Economy sehr wichtig. Denn sie baut immer mehr auf die Verschmelzung von Produkt und digitalen Dienstleistungen, die zusammen einen entscheidenden Mehrwert schaffen. Dabei spielt Vertrauen bei der Verwendung der oft vertraulichen Daten eine übergeordnete Rolle. Der Staat soll seine subsidiäre Rolle behalten: Er muss optimale Rahmenbedingungen schaffen, sei es mit exzellenten Bildungsangeboten, moderner Infrastruktur oder einem liberalen Arbeitsmarkt. Dann investieren die Unternehmen weiterhin bei uns, schaffen Jobs und Perspektiven für die Menschen in unserem Land. Das ist mein oberstes Ziel.

Wie weit ist Ihr Departement eigentlich bei der Digitalisierung der eigenen Prozesse?

Wir müssen noch nachholen. Meine Mit­arbeiter im Generalsekretariat lernen gerade, wie man mit dem neuen Telefoniesystem "Skype for Business" umgeht. Telefon und PC wurden verschmolzen. Der Bund arbeitet auch an einer Erneuerung des elektronischen Geschäftsverwaltungssystems. Das System soll besser und flexibler werden. Es gibt dabei aber ein Problem: Unsere Digitalisierung folgt den Vorgaben der existierenden Abläufe und Gesetze, die teilweise auch noch aus den vorangehenden Jahrhunderten stammen. Ich träume manchmal davon, den Prozess umkehren und – dank der neuen Möglichkeiten der Informatik – die administrativen und gesetzgeberischen Prozesse neu gestalten zu können. Estland hatte diese Chance nach dem Zusammenbruch der Sowjet­union. Estland hat sie mit beachtlichem Erfolg genutzt und die Regierungsabläufe den Möglichkeiten der ICT-Technologien angepasst und nicht umgekehrt.

Welche Prognosen wagen Sie für die Entwicklung der Schweizer Wirtschaftsleistung 2016?

Bis vor kurzem war ich verhalten optimistisch. Die Experten des Seco rechneten für 2016 mit 1,5 Prozent Wachstum. Aber die internationale Lage hat sich gegen Ende des letzten Jahres verschlechtert – ich denke an die Herausforderungen der Terroristenbekämpfung und die weiterhin gefähr­liche Lage in verschiedenen Regionen der Welt. Das könnte Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung haben.

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