Was Schweizer Entwickler an der Gamescom tun
An der Gamescom 2017 hat die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia zum dritten Mal den Swissgames-Pavillon organisiert. Die Redaktion war vor Ort, schaute sich die Stände an und sprach mit den Schweizer Ausstellern. Die Entwickler aus der Schweiz sind sich einig: Die Präsenz an der Messe in Köln ist enorm wichtig.
Der Swissgames-Pavillon in der Business Area der Gamescom hat dieses Jahr zum dritten Mal die Schweizer Entwicklerszene repräsentiert. Michel Vust und Oliver Miescher von Pro Helvetia freuten sich: "Swissgames hat sich jetzt langsam an der Gamescom etabliert." Vor drei Jahren mussten die Organisatoren Schweizer Entwickler, die sie fördern wollten, selbst ansprechen. Heute sei es umgekehrt: Die Devs kommen nun auf Pro Helvetia zu, um bei Swissgames einen Stand eröffnen zu können.
Kontakte mit Entwicklern und Investoren
Das Ziel von Pro Helvetia sei immer gewesen, vor allem jungen Schweizer Entwicklern die Möglichkeit zu geben, ein Netzwerk aufzubauen. Sie sollten nicht nur Spiele machen, sondern auch die Spielindustrie als Ganzes verstehen und bewusst Teil davon werden. Das zu ermöglichen sei das Hauptziel von Swissgames.
Im Gespräch mit den Entwicklern zeigte sich, dass es zwei unterschiedliche Arten von Netzwerken gibt, die Swissgames fördert. Einerseits gehe es darum, die Schweizer Entwicklerszene zusammenzubringen. Andererseits sollen Kontakte mit Investoren und Herausgebern entstehen.
Die Schweizer Entwicklerszene unter sich
"Ich hatte null Gefühl für die Schweizer Szene bevor ich an die Gamescom kam", erklärte Marc Breuer, Geschäftsführer des Ein-Mann-Studios Falkenbrew. Die offene Gestaltung des Pavillons habe dazu beigetragen, dass er Kontakte mit anderen Entwicklern aus der Schweiz knüpfen konnte.
Michela Rimensberger, CEO von Sycoforge, und Mitgründer Ismael Wittwer erinnern sich, dass sie die meisten Schweizer Entwickler im Ausland kennenlernten. Die hiesige Entwicklerszene sei eine unerwartet grosse, aber grösstenteils im "underground" versteckte Bewegung. Dies habe auch mit begrenzten Förderungsmitteln zu tun. Die sollen aber in Zukunft wachsen, sagte Wittwer zuversichtlich.
Die Gamescom bietet laut Flurin Jenal, Mitgründer von Struckd, ein besonders gutes Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Er hätte bereits viele gute Meetings gehabt und Verbindungen geknüpft mit dem Ziel, Investitionsgelder zu sichern.
Diversität und Innovation aus der Schweiz
Für David Canela, Designer von Cinnoman Games, hat der Standort Schweiz einen ganz konkreten Vorteil. Da es sich um ein eher kleines Land handelt, sind die Kontakte innerhalb der Szene umso wertvoller. Man lerne sich schnell untereinander kennen und das Klima sei sehr angenehm.
Was viele der Befragten zudem betonten, ist, dass gerade Schweizer Entwickler besonders divers und innovativ seien. "Es gibt alles", fasst Simon Broggi von Insert Coin die Schweizer Szene zusammen. Cécile Amstad von Amstad Digital findet, dass die Schweizer etwas den Ruf hätten, überwiegend akademisch angehauchte Games zu machen. Das Line-up am Swiss-Pavillon zeige aber die wahre Diversität.
Vielleicht ein Grund für die eher einseitige Wahrnehmung ist die Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK). Viele der Schweizer Entwickler, die die Redaktion an der Gamescom traf, haben ein Studium an der ZHDK absolviert. "Die ZHDK ist eine Art Sprungbrett für Schweizer Entwickler", beschrieben Animatorin Martina Hugentobler und Designer Philipp Stern von Okomotive die Rolle der Institution. Sie waren vergangenes Jahr Aussteller bei Swissgames und zeigten ihr Game an der diesjährigen Messe in der Entertainment Area einem breiten Publikum.
Das Studio besteht aus fünf ehemaligen ZHDK-Studenten und einem Praktikanten, der ebenfalls an der Hochschule studiert. Die Kontakte von der ZHDK könnten nützlich sein, wenn man grössere Projekte umsetzen wolle und dafür kompetente Mitarbeiter benötige.
Games im stationären Handel
Die Redaktion stellte den Entwicklern die Frage, ob sie ihre Games auch in physischer Form in den Handel bringen wollen. Hier gab es sehr unterschiedliche Perspektiven.
Der Prozess, wie ein Indie-Game im Regal eines Händlers landet, sei nicht sehr transparent, bemängelt Cécile Amstad die Situation. Für kleinere Studios sei es darum ein sehr grosser Aufwand, sich damit zu befassen. Dieser falle vor allem ins Gewicht, da das Einreichen von Spielen bei Steam sehr einfach sei. Valve, das Unternehmen hinter der Plattform Steam, kommuniziere den Prozess transparent.
Breuer von Falkenbrew sagte, dass es wenig Sinn ergebe, Software im physischen Geschäft zu verkaufen. "Da müsste man einen kleinen Bonus in die Verpackung legen", führte er aus. Beispiele dafür wären etwa Sammelfiguren oder ein T-Shirt.
Thierry Gana und Julien Michel, Gründer von Kiwi Studio, betrachteten das Thema physische Verkäufe anhand der Nachfrage. "Spieler lieben es, Games online zu kaufen." Erst wenn ein Spiel durch Onlineverkäufe ins Rampenlicht rückte, sei es sinnvoll, auch im Laden Kopien anzubieten. Prinzipiell sei es aber eindeutig das Ziel des Unternehmens, seinen Titel auch im stationären Handel anzubieten.
Zu den Studios und ihren Projekten:
Amstad Digital: Cécile Amstad arbeitet an einem VR-Game namens Burning Bridges. Sie legt dabei besonderen Wert auf die Atmosphäre des Spiels. Ursprünglich habe sie nicht vorgehabt, das Spiel zu veröffentlichen, Kollegen hätten sie aber dazu überredet.
Cinnoman Games: David Canela entwickelte das Spiel Modsork mit besonderem Fokus auf den Controller. Es handelt sich dabei um ein Spiel mit interaktiver Musik, in dem Spieler zwei unabhängige Einheiten gleichzeitig kontrollieren müssen. Das Spiel soll im Frühling 2018 auf Steam erscheinen. Canela hat zudem Konsolen im Visier.
Falkenbrew: Das Ein-Mann-Studio arbeitet an einem Twinstick-Shooter namens Devader. Das Game basiert auf stetig komplexer werdenden Gegnerwellen, die dem Gameplay eine strategische Dimension verpassen sollen. Marc Breuer, der Mann hinter Falkenbrew, will das Spiel noch dieses Jahr auf Steam veröffentlichen.
Insert Coin: Simon Broggi betont, dass er sich für die Schnittstelle zwischen physischem Design und Gaming interessiert. So arbeite er nicht nur an Apps und Spielen, sondern entwickle auch Projekte wie etwa physische Kunstinstallationen. Bei Swissgames war sein Puzzle-Spiel Cosmic Hare zu sehen.
Kiwi Studio: Infinite Dust, der erste Titel des Studios, ist eine Mischung aus Rollenspiel, Shooter und Aufbauspiel. Das Spiel werde oft mit No Man's Sky verglichen, erklären Thierry Gana und Julien Michel. Der Unterschied: dieses Spiel soll die Versprechen halten, die der Titel von 2016 unerfüllt liess. Es soll innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate auf Steam erscheinen.
Okomotive: Die ZHDK-Alumni Martina Hugentobler und Philipp Stern arbeiten an FAR: Lone Sails. Sie beschreiben es als ein "atmospherical vehicle adventure". Im Game kontrolliert der Spieler eine Figur, die eine Art Segelfahrzeug bedienen muss. Das Ziel des Spiels sei es, Erlebnisse zu schaffen wie bei einer Reise. Anfang 2018 soll es auf Steam erscheinen. Später sei zudem ein Release für Playstation und Xbox geplant.
Struckd: Die gleichnamige Plattform soll Social Media und Spielkreation zusammenbringen. Sie bietet die Möglichkeit, ohne Vorwissen eigene Games zu erstellen, wie Flurin Jenal am Stand demonstrierte. Die Plattform ist bereits online.
Sycoforge: Der erste Titel des Studios, Arafin: Return to Nangrim, sei insofern speziell, dass Michela Rimensberger, Ismael Wittwer und der Rest des Teams das Spiel nach einem Bottom-up-Prinzip entwickelten. Sie hätten zuerst die Welt, Geographie und Kultur entwickelt, bevor sie mit dem eigentlichen Game begannen. Das Fantasy-Spiel soll in VR erscheinen. Später sei auch eine Version ohne VR denkbar.