Tante Emma im digitalen Zeitalter - geht das?
Kleine Tante-Emma-Läden, die ihre Kunden ganz persönlich beraten, gibt es heute kaum noch. Ist es möglich, dieses Einkaufserlebnis in das Web zu übertragen? Eurocloud Swiss hat diese Frage am Donnerstag an einem Event im Fifa-Museum in Zürich gestellt.
"Tante Emma im digitalen Zeitalter" - so das Motto eines Events, den Eurocloud Swiss am Donnerstag im Fussball-Museum der Fifa veranstaltet hat. Die Teilnehmer stellten sich die Frage, wie Unternehmen ihren Kunden im Web ein "Tante-Emma-Gefühl" vermitteln und so empathische Kundenbeziehungen aufbauen können. Einfach ist das nicht - zumindest darüber waren sich alle einig.
Eurocloud Swiss ist seit 2015 in den Verband Swico integriert. Die Interessensgruppe arbeitet mit Anbietern, Herstellern, Anwendern, Beratern, Bildungsinstitutionen und dem Bund zusammen. Sie führt ausserdem Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen zum Thema Cloud Computing durch.
Kunden wollen personalisierte Angebote
Martin Andenmatten, Präsident von Eurocloud Swiss, zeigte zu Beginn kurz auf, wie rasant sich die E-Commerce-Welt wandelt. Als Beispiele nannte er Amazon Go. Ein Supermarkt ohne Kassen, den Amazon laut Bloomberg bis 2021 auf 3000 Filialen ausbauen will.
Martin Andenmatten, Präsident von Eurocloud Swiss (Quelle: Netzmedien)
Nach Andenmatten sprach Michael Nösges, Regional Vice President Switzerland & Austria bei Salesforce. Er sagte, dass es immer mal wieder Technologien gegeben habe, die grosse Umwälzungen provozierten: Im 18. Jahrhundert die Dampfmaschine, im 19. Jahrhundert die Elektrizität, im 20. Jahrhundert der Personal Computer und nun die vierte industrielle Revolution mit smarten Gegenständen, vernetzten Systemen und dem Internet der Dinge.
Das spüre man auch im E-Commerce, sagte Nösges. "Jede positive digitale Erfahrung erhöht die Erwartungen der Nutzer." 3 von 4 Kunden würden heute personalisierte Offerten erwarten. Die meisten Firmen könnten aber gar keine solchen bieten, weil sie ihre Daten nicht richtig auswerten. "Ich bin seit 15 Jahren Migros-Kunde und habe auch eine Cumulus-Karte", sagte Nösges. "Personalisierte Angebote erhielt ich von Migros aber noch nie."
Michael Nösges, Regional Vice President Switzerland & Austria bei Salesforce (Quelle: Netzmedien)
Disruptoren setzen auf "Customer Gap"
Nösges sprach in diesem Zusammenhang von einem "Customer Gap" und von Disruptoren, die sich genau in der Lücke positionieren. Etwa Amazon, Airbnb, Zalando und Financefox. Auch Adidas sei ein gutes Beispiel. Der Konzern ermögliche den Kauf einzelner Artikel seiner Paul-Pogba-Kollektion direkt über Instagram. Also da, wo die Kunden eh schon sind - statt sie auf seine Website zu locken.
Firmen sollten alle Interaktionen mit den Kunden auf einer Plattform aggregieren, sagte Nösges. Das sei oft schwierig, da ihre Daten in Silos verteilt seien. So sei eine Durchgängigkeit für die Sales-, Marketing-, Service- und E-Commerce-Organisation innerhalb eines Unternehmens eigentlich gar nicht erreichbar.
"Empower Emma!"
Auch Martin Wüthrich, CEO des Systemintegrators Bucher + Suter, der zur Noser-Gruppe gehört, hielt ein Referat. Er sagte, dass es für Firmen oft schwierig sei, Dienstleistungen im Contact Center zu personalisieren. Dabei gebe es einen Weg, um das zu erreichen: Unternehmen sollten das Contact Center mit ihrem CRM verknüpfen.
Martin Wüthrich, CEO des Systemintegrators Bucher + Suter (Quelle: Netzmedien)
Wichtig bei einem solchen Vorhaben sei die User Experience. Sie habe in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen und sei heute wichtiger als einzelne Features. Wüthrich riet Firmen, bei solchen Projekten auch auf externe Hilfe zurückzugreifen, und den Fokus nicht auf die IT, sondern auf das Business zu legen.
Unternehmen, die mit digitalen Dienstleistungen ein "Tante-Emma-Feeling" erzeugen wollen, müssten dafür vor allem ihre Mitarbeiter befähigen und ihnen die richtigen Tools zur Verfügung stellen. "Empower Emma!", riet Wüthrich den Zuhörern im Saal.
App als persönlicher Reisebegleiter
Der dritte Referent war Christof Zogg, der bei den SBB als Director Digital Business arbeitet, die Firma aber Ende Jahr verlassen wird. Er zeigte auf, wie sich der "Selbstbedienungsmix" der SBB in den letzten Jahren veränderte. 2016 lag die Selbstbedienungsquote bei 82,1 Prozent, wobei 53,3 Prozent auf Ticketautomaten, 16,5 Prozent auf die Schalter, 7 Prozent auf sbb.ch und bloss 19,4 Prozent auf die SBB-App fielen. "Heute habe ich aktuelle Zahlen erhalten", sagte Zogg. "Alle digitalen Kanäle schlagen nun erstmals die Automaten - um 0,1 Prozent".
Christof Zogg, Director Digital Business bei den SBB (Quelle: Netzmedien)
Die Leistungen an den Ticketautomaten könne man fast nicht personalisieren, sagte Zogg. Die SBB verfolge darum das Ziel, ihre App zu einem persönlichen Reisebegleiter auszubauen und für alle Kunden attraktiv zu machen. Zum Beispiel mit lokalisierten Angeboten, Last-Train-Home-Benachrichtigungen und der Funktion Easyride, die in der SBB-Preview-App seit einer Woche verfügbar ist. Sie baut auf einer Technologie von Fairtiq auf, die es erlaubt, eine Reise anzutreten, ohne vorher ein Ticket zu lösen.