Erfolgsfaktoren der agilen Transformation
Am Digital Economy Award werden Unternehmen ausgezeichnet, die besondere Fortschritte in der digitalen Transformation gemacht und erfolgreich digitale Innovationen herausgebracht haben. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei ist die Transformation hin zu agilen Organisations- und Arbeitsmodellen.
Die Agilität ist das Allheilmittel der digitalen Transformation – diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man den aktuellen Hype in diesem Kontext wahrnimmt und liest. In der Praxis haben die Unternehmen allerdings häufig mit der konkreten Umsetzung zu kämpfen und es macht sich oftmals Ernüchterung ob der oft wenig glamourösen Realität breit.
Eine zentrale Herausforderung besteht im Wesen der Agilität: Darunter versteht man die schnelle Adaptier- und Anpassbarkeit des Unternehmens an neue Herausforderungen oder ändernde Bedingungen. Dabei reicht es kaum aus, wenn nur einzelne agile Inseln im Unternehmen in der Lage sind, ihren Bereich schnell und flexibel zu entwickeln, während anderer Teile eher statisch unterwegs sind und zum Bottleneck werden.
Die Vorbilder
Bedenkt man, dass Technologie zunehmend zum Treiber für Geschäftsmodelle wird, so bedeutet dies in der Konsequenz, dass die eingesetzten Technologien entlang der gesamten Unternehmensarchitektur möglichst schnell und flexibel adaptiert werden müssen.
Spotify
Ein prominentes Beispiel ist der Streaming-Dienst Spotify, der mit dem Spotify Modell eine Lösung gefunden hat, die rasch wachsende Anzahl von agilen Teams an verschiedenen Standorten zu koordinieren und gleichzeitig effizientes Arbeiten zu erleichtern.
Amazon
Auch der Online-Versandhändler Amazon hat sich trotz seiner Grösse die Start-up Mentalität bewahrt. Bei allen Arbeiten steht immer die Experimentierfreudigkeit im Mittelpunkt. Schnelles, kontinuierliches Lernen und eine «Fail fast, fail early»-Mentalität helfen, den Impact von Risiken zu reduzieren.
Netflix
Der Streaming-Dienstleister Netflix gewährt gemäss dem Motto «Culture of Freedom and Responsibility» seinen Mitarbeitern grosse Freiheiten und Verantwortung in ihrem Job. Damit einher geht eine nachhaltige Agilisierung der Organisationsstrukturen weg von starren Hierarchien mit Management-Vorgaben, Top-Down Entscheidungen und grossen Planungskomitees hin zu flexiblen Arbeitsstrukturen sowie horizontalen Organisationsstrukturen mit autonomen Teams.
Zalando
Neben der Schaffung flexiblerer Strukturen und einer Entrepreneurship-orientierten Unternehmenskultur besteht auch der Bedarf, neue Ideen möglichst schnell entlang der Prozesse abbilden zu können – in Zeiten der Digitalisierung hängt dies zunehmend an der zugrundeliegenden IT-Architektur. Das Mode-Handelsunternehmen Zalando hat auf diesen Bedarf so reagiert, dass man sich für spezifische, eigene IT-Lösungen entschieden hat, welche Micro-Service in Form neuer Anwendungen und Dienstleistungen zu adaptieren. Zudem schafft Zalando mit seinem Ansatz «Radical Agility» soziale Strukturen und selbstorganisierte Teams mit technologischen Strukturen und einer serviceorientierten Architektur zu verknüpfen.
Obwohl sich traditionelle Unternehmen mit etablierten Geschäftsmodellen und Prozessen eher schwer mit der Agilisierung tun gibt es hier auch einige Erfolgsbeispiele.
Hilti
So verbessert die Hilti ihre Bohrhammer in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden. Gemeinsam mit diesen entwickeln sie das eigene Produktportfolio weiter und erschliessen neue Geschäftsfelder für Produkte Ein Beispiel ist das Open Fleet Management System, welche es Kunden ermöglicht die benötigten Geräte im Rahmen eines Flottenmanagements mieten zu können anstatt diese kaufen zu müssen.
Villeroy & Boch
Der Keramikhersteller Villeroy & Boch innoviert seine Produkte Hand in Hand mit anderen Unternehmen und erweitert so sein Produktportfolio. Hierzu zählt beispielsweise ein Lautsprechergehäuse auf Keramikbasis, das in Kooperation mit dem Elektronikunternehmen Loewe entstanden ist. Ein weiteres Beispiel ist das Beleuchtungssystem für ein innovatives Hotelzimmer, welches in Zusammenarbeit mit Swarovski entwickelt wurde.
Und auch im klassischen Dienstleistungsumfeld existieren Beispiele bei denen versucht wird die Vorteile der Agilisierung für sich zu nutzen.
ING-Diba
So hat die ING-DIBA ihr Vorhaben im April 2018 begonnen alle Mitarbeiter, Abteilungen und Prozesse zu agilisieren. Damit sollen ein schnelleres Wachstum und die digitale Marktführerschaft in der Branche erreicht werden. Auslöser war die Erkenntnis, dass diese Ziele mit klassischen Abteilungsstrukturen, starren Hierarchien und zähen Prozessen kaum zu schaffen sind. Mittlerweile arbeiten die meisten Mitarbeiter des Unternehmens in agilen, interdisziplinären Teams.
Die Erfolgsfaktoren
Bei Agilität geht es um die permanente Anpassungsfähigkeit an Anforderungen der Digitalisierung, was allerdings nicht zwingend etwas mit Scrum oder Kanban zu tun haben muss.
Unternehmensagilität zeigt sich vor allem an der Gesamtstrategie des Unternehmens, was mit dem Empowerment der Mitarbeiter beginnt und auch eine Kultur beinhaltet, die Fehler zulässt und beim Nachjustieren lernt. Zusätzlich ist der Aufbau von interdisziplinären Teams erfolgsbringend, der mit der inhaltlichen Einbindung von Personen aus der IT (Architekten und Entwicklern) beginnt. Gerade für etablierte Unternehmen kann der Speed Boat Ansatz hilfreich sein, wodurch bewusst Einheiten geschaffen werden, die agil agieren. Diese können idealerweise End-to-end agil agieren, womit agile Inseln gezielt vermeiden werden können.
Zusätzlich hilft auch ein gezielter Umbau der Lösungslandschaft, beispielsweise auf Basis des Domain-driven Design-Ansatzes die Agilisierung in die IT-Landschaft zu übertragen.
Unternehmen, die sich für die Agilisierung entscheiden, sollten unbedingt vermeiden, bestehende Ansätze als Blaupause zu verstehen, die 1:1 übernommen werden können. Viel zielführender und erfolgsversprechender ist es, wenn Unternehmen versuchen, unter Berücksichtigung der eigenen Unternehmenskultur agile Ansätze für sich zu adaptieren und in einem iterativen Prozess zu entwickeln und zu entwickeln.
Die Autoren:
Sebastian Straus ist Principal bei der mm1 Schweiz AG sowie Fachbereichsleiter für Informationssysteme & IoT sowie Dozent an der Fernfachhochschule Schweiz. Der Schwerpunkt seiner Arbeits- und Lehrtätigkeit liegt in der Abbildung von adaptiven Geschäftsmodellen in komplexen Unternehmens- und IT-Architekturen mittels agiler Transformationsansätze.
Sebastian Straus, Principal, mm1 Schweiz. (Source: zVg)
Lena Kirsch ist Consultant bei der mm1 Schweiz AG sowie Dozentin an der Fernfachhochschule Schweiz. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf digitaler Transformation sowie Technologie- und Innovationsmanagement mit Fokus auf agiles Projektmanagement insbesondere mit Scrum und Scaled Agile.
Lena Kirsch, Consultant, mm1 Schweiz. (Source: zVg)