All-IP-Migration: Das ist zu beachten
Die flächendeckende Umstellung von der analogen Telefonie und ISDN auf All-IP ist in vollem Gang. Swisscom will die Migration in diesem Jahr abschliessen. Probleme bereitet aber das Fax.
Swisscom hat vor vier Jahren das Aus für die herkömmliche Telefonie angekündigt. Beim grössten Schweizer Telko ist die Umstellung von der analogen Telefonie und von ISDN auf All-IP seither in vollem Gang. Swisscoms Versprechen, bis Ende 2018 alle Privatkunden auf All-IP umzustellen, sei eingelöst worden, sagt Swisscom-Sprecherin Esther Hüsler.
Bei den Geschäftskunden dauere es aber noch eine Weile. Hüsler schreibt auf Anfrage, dass Swisscom bisher Dreiviertel aller Anschlüsse migriert habe. Bis Ende 2019 wolle der Telko alle Geschäftskunden auf All-IP umgestellt haben. Einen konkreten Termin nannte Hüsler aber nicht. Es hiess lediglich, dass Swisscom die verbleibenden Anschlüsse in den kommenden Monaten Region für Region migrieren wolle. Dafür gliederte Swisscom die Umstellung in verschiedene Phasen: Inventar erstellen, Projektorganisation aufstellen, Lösungsdesign für die Zukunft entwickeln und schliesslich auf IP migrieren.
ISDN ist zwar altbekannt, stösst aber für zukünftige Bedürfnisse partiell an seine Grenzen. All-IP verspricht im Vergleich zum althergebrachten internationalen Standard für das digitale Kommunikationsnetz viele Vorteile. Bei All-IP ist der Name Programm; alle Daten, ob vom Telefon, Fax oder anderen Geräten, gelangen über das Internetprotokoll (IP) an den Empfänger. Die Rechner kommunizieren einheitlich und können damit reibungsloser Daten austauschen, als dies früher der Fall war.
Die Vorteile von UCC
Der Begriff Unified Communications und Collaboration (UCC) vereint Telefonie, Voice-Mail, E-Mail, Instant Messaging, Desktop-Sharing, Telefonkonferenzen und Videokonferenzen. Beim Telefonieren übers Internet etwa, auch VoIP (Voice over IP) genannt, liegen die Vorteile im Vergleich zum ISDN-Anschluss auf der Hand und sind zahlreich. Einmal am Datennetz angeschlossen, ist das Telefon sofort betriebsbereit.
Weitere Annehmlichkeiten von VoIP sind unter anderem HD-Sprachqualität, Namensanzeige und Filtermöglichkeiten etwa gegen Werbeanrufe und Sperrlisten. Ausserdem lässt sich das Festnetz mit All-IP auch unterwegs auf dem Handy nutzen, und auch zwei gleichzeitige Gespräche sind möglich.
Die Schweizer Telkos stellen um
All-IP ist weltweit auf dem Vormarsch. Auch wenn die Umstellung bei Swisscom fast abgeschlossen ist, ist der Telko beileibe nicht der Schnellste mit All-IP-Angeboten für B2B-Kunden. Sunrise migrierte seine Businesskunden Ende September 2018 vollständig auf die neuen IP-Produkte, wie Unternehmenssprecherin Séverine de Rougemont auf Anfrage schreibt. UPC führte die IP-basierte Festnetztelefonie vor 15 Jahren schweizweit ein und war damit "First Mover" im Schweizer Markt, wie Walter Bichsel sagt, zuständig für Business Development & Product Management. Damals hiess der Telko noch Cablecom und verkaufte die IP-basierten Telefonie-Services unter dem Namen "Digital Phone". VTX setzt seit über zehn Jahren auf VoIP, wie Teamleader Michèle Notari auf Anfrage schreibt. Seit über drei Jahren führe VTX die Migration für seine Privat- und Unternehmenskunden durch, die noch alte Technologien benutzten. Wie andere angefragten Provider sagt auch Notari, dass die Migration der Ausrüstung ohne Schwierigkeiten verlaufe, ob in Form von virtuellen Telefonzentralen in den VTX-Rechenzentren oder SIP-Trunk-Lösungen für die physischen Telefonanlagen der VTX-Kunden, die ihre traditionelle Nebenstell- oder Telefonanlage behalten möchten.
All-IP macht Faxen
Doch nicht alles verläuft bei der Migration reibungslos. Daniel Maier von Winet Voicetec Solutions verweist auf die Problematik beim Fax. Die Fernmeldedienstversorgung des Bundesrats beinhaltet keinen Faxservice mehr. Nach Ansicht des Bundes bestehen heute genügend andere gleichwertige oder bessere Kommunikationsmöglichkeiten. Deshalb müssten die Töne, mit denen ein analoges Fax über den International-Telecommunications-Union-Standard kommuniziert, vor der Übertragung in digitale Datenpakete umgewandelt werden. Doch laut Maier ist Fax über VoIP generell ein Problem, da Fax sehr allergisch auf verlorene oder verspätete Pakete reagiere. Es gebe zwar das Protokoll T38 für Fax über IP-Systeme, doch die von Swisscom installierten Boxen würden das Protokoll nicht verstehen, weshalb eine stabile Fax-Versorgung nicht möglich sei. Swisscom verweist bei der Problematik auf die Weisung des Bundes, dass Fax nicht mehr zur Grundversorgung gehöre. "Ersatz für veraltete Technologien wie Faxgeräte haben wir nicht", schreibt Swisscom-Sprecherin Hüsler. Swisscom unterstütze die Kunden aber bei der Umstellung auf die Faxfunktionen im Computer und der Nutzung neuerer Lösungen. Doch viele Unternehmen hielten an den Fax-Geräten fest und setzten dafür in der Regel Adapter für den Weiterbetrieb ein, sagt Matthias Fuchs von Sipcall by Backbone Solutions. Alle angefragten Provider und Carrier weisen zwar auf die Vorteile der neuen Kommunikationswege wie Email2Fax hin, doch das Fax bleibt eine Nische, wie auch Walter Bichsel von UPC feststellt, und deshalb "unbedingt noch bedient werden sollte".
Bei reinen VoIP-Carriern und Herstellern von internetbasierten Telefonanlagen wie Winet Voicetec Solutions telefonieren alle Kunden über VoIP. Auch Sipcall setzt laut Fuchs seit 2005 ausschliesslich auf All-IP. Die Migration tangiere solche Provider daher naturgemäss wenig. Laut Fuchs sind es nur wenige Kunden, die von einem anderen Provider kommen und dabei portiert und migriert werden müssten. Ebenfalls seit 2005 ist Peoplefone ein spezialisierter VoIP-Anbieter, wie CEO Christophe Beaud auf Anfrage schreibt. Entsprechend habe der Peoplefone-Kundenstamm die Umstellung schon seit Jahren erfolgreich vollzogen.
Was Unternehmen beachten sollten
Bei der Umstellung auf All-IP gilt es einiges zu beachten. Die Provider und Carrier stehen Privat- und Firmenkunden mit Broschüren und persönlichen Beratungen zur Verfügung, wie sie auf Anfrage schreiben. Notari von VTX rät Unternehmen, den "aufgezwungenen Technologiewechsel" zu nutzen, um ihre Telefonanlagen auf den neuesten Stand zu bringen. Auch empfiehlt sie, die für IP-Anwendungen vorgesehenen Anschlussleitungen zu trennen. So könne es angebracht sein, eine Internetverbindung für die Internetnutzung mit einer Back-up-Leitung sowie eine andere Leitung für die VoIP-Anwendungen einzurichten. Fuchs von Sipcall verspricht mit VoIP ausser den erwähnten Vorteilen vor allem Kosteneinsparungen und schreibt, dass man sich vor der Umstellung nicht zu fürchten brauche, das zeigten viele erfolgreiche Praxisbeispiele. Maier von Winet Voicetec Solutions schreibt, dass Unternehmen, die eine relativ neue ISDN-Anlage haben, sich entscheiden müssten, ob sie bereits amortisiert sei oder noch drei oder vier Jahre weiter laufen soll. Denn mit einem Gateway liessen sich solche Anlagen problemlos einige Jahre weiter betreiben. "Die VoIP-Telefonie ist heute ein Bestandteil der IT-Infrastruktur und muss ganzheitlich von ICT-Spezialisten angeschaut werden", sagt Peoplefone-CEO Beaud. Auch Bichsel von UPC empfiehlt Unternehmen, ihre Bedürfnisse vor der Migration zu analysieren und dabei einen ganzheitlichen Ansatz zu wählen. So müssten Unternehmen ihre analogen und ISDN-Geräte trotz Umstellung auf All-IP nicht zwingend austauschen. Zeller verweist auf diverse für die Migrationsplanung relevante technische und betriebswirtschaftliche Faktoren wie Investitionsschutz, Notruf-Nummern, Lift-Steuerungen und Back-up-Lösungen.
Wenn Unternehmen Sonderanwendungen auf IP umstellen, empfehlen die Provider umso mehr, sich frühzeitig beim Installationspartner zu erkundigen und sich umfassend beraten zu lassen. Peoplefone-CEO Beaud empfiehlt die Kontaktaufnahme mit dem Hersteller etwa der Lift- oder Alarmanlage. Swisscom-Sprecherin Hüsler schreibt, dass Unternehmen auf zukunftsfähige Nachfolgelösungen setzen sollten, etwa beim Einsatz von mobilen Lösungen auf 4G zu setzen. Swisscom biete eigene, ausfallsichere Lösungen etwa für Lifttelefone an. Fuchs von Sipcall und Maier von Winet verweisen darauf, dass etliche Anwendungen, Anlagen und Lösungen bereits IP-kompatibel oder mit wenig Aufwand um- oder aufrüstbar seien. Dazu gehörten POS-Geräte, Frankiermaschinen, Temperaturüberwachungen, Rauchmelder, Feuermelder und vieles mehr.