Die IT der Groupe Mutuel reagiert auf die Krise
Die Groupe Mutuel hat schnell auf die Coronakrise reagiert: CIO Philippe Buthey und Christian Lalain, stellvertretender Direktor und Leiter IT-Operations, verraten, wie die IT-Abteilung des Versicherungsunternehmens mit der Situation umgeht und was sie alles umgestellt hat – vom Homeoffice bis hin zum Kundendienst.
Vor einigen Wochen hat die Groupe Mutuel ihren Krisenstab aktiviert. Eine Task Force unter der Leitung von CFO Florian Raemy soll Manager aus den verschiedenen Geschäftsbereichen des Unternehmens zusammenbringen. Ihr Ziel ist es, die Gesundheit der Mitarbeiter, den Service für die Versicherten und die Unterstützung der KMU-Kunden zu gewährleisten.
Philippe Buthey, CIO der Groupe Mutuel, und Christian Lalain, Leiter IT-Operations und IT-Verantwortlicher der Task Force, sprechen über Krisenmanagement aus Sicht der IT, über die vielen Herausforderungen und über die ersten Lehren, die sie daraus gezogen haben.
Backoffice und Callcenter von Zuhause aus
Wie für viele andere Organisationen war auch für die Groupe Mutuel das wichtigste IT-Krisenprojekt die Umstellung auf Homeoffice. Auf der Anwendungsseite habe sich die Umstellung als relativ einfach erwiesen, vor allem dank der digitalen Plattform Nova: Die von der Groupe Mutuel selbst entwickelte Lösung für Informations-, Kommunikations- und Datenverarbeitung basiert auf vollständig digitalen Workflows und kommt im gesamten Unternehmen zum Einsatz.
Die Verlegung der Arbeitsplätze sei hingegen schwieriger gewesen, da rund 1600 Mitarbeitende nicht mit Laptops arbeiteten, sondern an fixen Arbeitsplätzen mit jeweils einem Thin Client und zwei Bildschirmen. Diese Mitarbeitenden wurden 10 Tage lang durch ein IT-Team unterstützt – beim Umzug der Computer, bei der Installation der Geräte zuhause, beim ersten Zugriff auf die Systeme über VPN und beim Aktivieren der doppelten Authentifizierung. Die IT-Abteilung hatte diese Massnahmen bereits vor der Krise geplant, allerdings nach einem anderen Zeitplan: "Die Umstellung erfolgte nun sechs Monate vor unserem lange geplanten Mobilitäts- und Homeoffice-Projekt", erklärt Christian Lalain.
Philippe Buthey, CIO der Groupe Mutuel. (Source: zVg)
Neben der Ausrüstung musste man insbesondere den Kundendienst sicherstellen – eine besonders wichtige Funktion in Zeiten des Social Distancing. Für das Callcenter bedeutete dies einerseits die Installation von Tools bei den Mitarbeitenden zu Hause (Mobile Agent, Grundfunktionen wie beispielsweise Anrufweiterleitungen auf privaten Telefonen einrichten) und andererseits die Verwaltung von Anrufen mittels Routing auf private Telefone. Dieser Transfer sei nun abgeschlossen, sodass mehr als 300 Mitarbeitende des Versicherers nun Kundenfragen von zu Hause aus beantworten können.
Die zentrale Infrastruktur habe die schlagartige Zunahme an Fernzugängen überstanden. Allerdings habe es einige unerwartete Anpassungen gebraucht, sagt Philippe Buthey.
Betriebsunterbrechung vermeiden
In organisatorischer Hinsicht zeigen sich die beiden Manager zufrieden mit den Umstellungen. Der Betrieb von Backoffice und Callcenter konnte sichergestellt werden, indem die Umstellungen schrittweise durchgeführt wurden. Prozesse und Arbeitsabläufe habe man nur geringfügig angepasst, um auf die Einschränkungen des Homeoffice zu reagieren.
Eine Lösung wurde auch für die wenigen Briefe gefunden, die noch auf Papier gedruckt und verschickt werden. "Papierbriefe sind in der Digitalisierungskette das schwache Glied", sagt Christian Lalain. Solche persönlichen Briefe werden an die zentralen Verarbeitungsdienste weitergeleitet, in denen beispielsweise Rechnungen und Leistungsabrechnungen digitalisiert und ausgedruckt werden. Zudem wurde der E-Mailverkehr stärker standardisiert.
Christian Lalain, Leiter IT-Operations und IT-Verantwortlicher der Task Force von Groupe Mutuel. (Source: zVg)
Beschleunigte Einführung von Tools für die Zusammenarbeit
Die Umstellung auf Homeoffice führt auch unter den Mitarbeitenden der Groupe Mutuel zu einem sprunghaften Anstieg der Nutzung von Collaboration-Tools, was wiederum einen erhöhten Bedarf an Support mit sich bringt. "Wir beobachten einen starken Anstieg der Nutzung unserer Cisco-Lösung für Telefonkonferenzen wie auch von Skype Enterprise", sagt Christian Lalain. "Innerhalb weniger Wochen sind diese Lösungen alltäglich geworden". Auch hier wurde die Einführung von Werkzeugen für die digitale Zusammenarbeit durch die Krise beschleunigt.
Krisenmanagement und KPIs
Für Philippe Buthey verdankt sich der Erfolg dieser Veränderungen zu einem grossen Teil dem Engagement der einzelnen Abteilungsleiter. Sie hätten die Richtlinien des Managements in den Teams umgesetzt und wichtiges Feedback von den Mitarbeitenden in die Entscheidungsgremien einfliessen lassen.
Ebenfalls wichtig sei das Aufstellen von Ad-hoc-Support-Teams, um die vielen Fragen der Mitarbeitenden zu beantworten – wenn es etwa um Informationen über die Pandemie geht oder um das Vermitteln von technische Unterstützung der Mitarbeitenden im Innendienst. "In den ersten Tagen gab es eine beträchtliche Welle an Fragen, das hat sich allerdings schnell wieder gelegt", sagt Christian Lalain.
Die getroffenen Massnahmen und deren Umsetzung zeigen Wirkung: Die Produktivität der Mitarbeitenden liege weit über den Erwartungen, erklären die Manager. Der Anteil der Mitarbeitenden, die "up and running" sind, sei einer der KPIs, die der Krisenstab laufend überwache. Dieser habe auch die Entwicklung eines Dashboards vorangetrieben – ein Steuerungsinstrument, das wichtige Indikatoren zum Geschäftsgang und zur Überwachung der aktuellen Lage zusammenfasst. Den Kennzahlen zufolge wirkte sich die Krise bislang nur geringfügig auf die Produktivität des Unternehmens aus.
Homeoffice erfordert strukturiertes Vorgehen
Zwar ist es noch zu früh, um die Auswirkungen der Krise zu bilanzieren. Doch Philippe Buthey hat bereits einige Lehren gezogen. Für den CIO drängt die Arbeit im Homeoffice die Menschen dazu, sich stärker zu strukturieren. "Wir sehen es im Alltag: Die Leute sind bereit und strukturiert, sie fokussieren auf das Wesentliche."
Ebenfalls positiv hervorzuheben sei, dass die Mitarbeitenden sich schnell an die Situation angepasst hätten. "Die Mitarbeiter zeigen viel guten Willen und viele von ihnen danken der IT für ihre Unterstützung", sagt Philippe Buthey. Er räumt jedoch ein, dass sich Homeoffice zwar gut für klar geregelte Abläufe und Backoffice-Tätigkeiten eignet, aber weniger wenn es um Veränderungsprojekte sowie Vertriebsaktivitäten geht.