ETH-Forscherinnen wollen Salzdrucken marktfähig machen
Zwei Materialwissenschaftlerinnen haben ein 3-D-Druckverfahren entwickelt, mit dem sie Salzvorlagen herstellen, die sie mit anderen Materialien füllen können. Dadurch entstehen zum Beispiel hochporöse Leichtmetall-Bauteile. Als Pioneer Fellows versuchen sie nun, dieses Verfahren in die Industrie zu übertragen.
Es ist noch nicht lange her, da landeten Materialforscherinnen und -forscher einen Coup: Mit einem 3-D-Drucker erstellten sie mit Salz ein Gerüst, das sie anschliessend mit flüssigem Magnesium befüllten. Nachdem das Leichtmetall ausgekühlt und hart geworden war, wuschen die Forschenden das Salzgerüst aus - fertig war ein Objekt aus hochporösem Magnesium, das sich beispielsweise als bioabbaubares Knochenimplantat eignen würde.
Ursprüngliche Technik erfolgreich weiterentwickelt
Nun legen die Erstautorin der damaligen Studie, Nicole Kleger und ihre frühere Masterstudentin Simona Fehlmann, eine weitere Publikation in der Fachzeitschrift "Advanced Materials" vor: Zusammen mit einem interdisziplinären Team verfeinerten und veränderten sie das Verfahren so, dass sie komplexere Salzgerüste mit noch feineren Poren herstellen können.
Überblick über den Herstellungsprozess und die Charakterisierung von salzhaltigen Drucktinten. (Source: Advanced Materials)
Statt eines extrusionsbasierten Druckers, der über eine feine Düse dünne Salzpasten-Würstchen gitternetzartig ausdruckt, verwendeten die Forschenden um Kleger und Fehlmann ein Stereolithografiegerät und eine Tinte basierend auf Salzpartikeln. Um diese Tinte lichtempfindlich zu machen, mischten ihr die Materialwissenschaftlerinnen entsprechende Monomere bei. Diese verbinden sich zu Polymeren, sobald Licht auf sie trifft, und werden dadurch hart. So können Schicht für Schicht komplexe Strukturen geschaffen werden. Das so erzeugte Salzgerüst dient dann als formgebendes Negativ, das mit einem anderen Material ausgefüllt wird.
Die vorgefertigten Strukturen befüllten die Materialwissenschaftlerinnen dieses Mal nicht nur mit Magnesium, sondern auch mit Aluminium, Karbonverbundmaterial und Kunststoff. Mit ihrem neuen Verfahren können die Forscherinnen nicht nur viel komplexere Objekte herstellen, sondern auch die Porengrösse von 0,5 Millimeter auf 0,1 Millimeter senken.
Von der Grundlage in die Praxis
Bei der rein akademischen Fragestellung soll es allerdings nicht bleiben. Anfang Juli haben Kleger und Fehlmann ein Pioneer Fellowship begonnen. Ein Jahr haben sie Zeit, um aufzuzeigen, ob sich die Technologie kommerziell umsetzen lässt.
"Wir wollen herausfinden, ob das Verfahren auch dem Praxistest standhält», sagt Kleger. Auch ihrer Geschäftspartnerin ist es ein Anliegen, dass die Laborergebnisse nicht in einer Schublade verstauben. «Mir ist es wichtig, immer eine Anwendung vor Augen zu haben, damit ich motiviert bleibe», sagt sie.
Einsatz im Kiefer und im Weltall
Die beiden Forscherinnen haben bereits mehrere konkrete Ideen für die Kommerzialisierung: Eine Anwendung könnten Kieferimplantate sein. "Verliert man einen Zahn, baut sich der Kieferknochen darunter sehr schnell ab», erklärt Kleger. Um ein Zahnimplantat einsetzen zu können, müsse der Knochen zuvor wieder aufgebaut werden. Dafür verwenden Chirurgen und Chirurginnen derzeit Knochenmaterial von der Hüfte, was einen zweiten operativen Eingriff erfordert. Eine Alternative könnten massgeschneiderte Knochenimplantate aus Magnesiumlegierungen sein, in die knochenbildende Zellen einwandern können und die sich mit der Zeit wieder abbauen. Mit ihrem Verfahren könnten Kleger und Fehlmann genau solche Implantate herstellen.
Komplexe Strukturen, die durch Infiltration und Auslaugung entstehen. (Source: Advanced Materials)
In eine ähnliche Richtung zielt die Idee, dreidimensionale Trägermedien für Zellkulturen herzustellen. Zellen verhalten sich im Raum anders als auf einer Ebene, wie sie eine laborübliche Petrischale darstellt. Diesbezüglich haben die Forscherinnen Kontakt aufgenommen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die im Labor mit solchen Zellkulturen arbeiten. Offen ist die Frage, ob diese solche Trägermedien lieber selbst herstellen wollen und dafür Klegers und Fehlmanns Verfahren verwenden oder ob sie schon die fertigen Trägermedien kaufen würden.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit sehen die beiden Jungunternehmerinnen bei der Raumfahrt. "Bei Weltraummissionen ist Gewicht Geld", betont Kleger. Jedes Gramm zähle, weshalb Leichtmetallbauteile, die mithilfe ihres Verfahrens gefertigt werden, für den Einsatz an Raumschiffen oder Raketen geeignet seien.
Spezialanfertigungen statt Massenprodukte
Klar ist den zwei Pioneer Fellows jedoch jetzt schon eines: dass ihre Produkte keine billigen Massenprodukte sein werden, sondern verhältnismässig teure Spezialanfertigungen. Denn der Fertigungsprozess ist ziemlich langsam und erlaubt es nicht, sehr grosse Stückzahlen in kurzer Zeit zu produzieren. "Im Massenmarkt werden wir uns nicht positionieren", sagt Fehlmann.
Noch haben sie das endgültige Businessmodell nicht festgelegt. "Wir sind derzeit daran, den Markt zu analysieren um herauszufinden, wer unsere potentielle Kundschaft ist und was diese wirklich brauchen", erklärt Kleger. Dazu hätten sie schon unzählige Gespräche geführt, mit Zahnärzten, mit Zellbiologinnen, aber auch mit Firmen, welche Druckgeräte herstellen.
Steile Lernkurve im Geschäftsleben
"Die Dinge, die wir nun machen, sind zum Teil sehr anders als diejenigen, die ich während meiner Doktorarbeit gemacht habe. Die Lernkurve ist dafür entsprechend steil", schmunzelt Kleger.
"Wir erhalten viele neue Inputs, wir müssen anders an die Sachen herangehen als in der Forschung. Das ist bereichernd und spannend", ergänzt Fehlmann.
Starthilfe erhalten die beiden Frauen auch von ETH-Professor André Studart, in dessen Gruppe für Komplexe Materialien sie ihre Forschung gemacht haben. Er stellt ihnen im kommenden Jahr unter anderem einen Laborplatz und Druckgeräte zur Verfügung. "Wir sind froh, dass wir hier noch eine Weile weiterarbeiten können", freut sich Kleger.
Zudem können sie auch von den Erfahrungen von anderen Start-up-Gründerinnen aus Studarts Gruppe profitieren. "Wir pflegen mit allen vier Unternehmen, die bisher aus der Gruppe hervorgingen, einen regen Austausch", sagt sie.
Auch einen Namen für ihre eigenes Start-up haben sie sich ausgedacht: Sallea, eine Kurzform von Salt leaching, also Salzauswaschung. Der Prozess, den sie zur Marktreife führen wollen, hat dem jungen Unternehmen den Namen gegeben. Irgendwann werden sie sich dann um das ETH-Spin-off-Label bewerben. Doch vorerst steht noch viel Aufbauarbeit an - und dann sehen die beiden Pioneer Fellows, ob aus ihrer erfolgreichen Forschungsarbeit auch ein gewinnbringendes Unternehmen wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der ETH.
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