Wie sich die Schweizer Justiz digitalisieren will
Papierakten sind in der Schweizer Justiz und in Rechtsverfahren immer noch der Normalfall. Das soll sich ändern. Wie das geschehen soll, hat eine Veranstaltung an der Universität Luzern gezeigt.
Das Projekt Justitia 4.0 will rund 300 Schweizer Gerichte, die Staatsanwaltschaften der Kantone und des Bundes, die Justizvollzugsbehörden und die Anwaltschaft digitalisieren. Wie das genau geschehen soll, hat heute eine Veranstaltung an der Universität Luzern gezeigt. Organisatoren des Events waren die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter und der Schweizerische Anwaltsverband.
E-Akten statt Papier
Justitia 4.0 soll Papierdossiers durch elektronische Akten ersetzen und einen elektronischen Datenaustausch etablieren. Unter anderem mit einem neuen Justizportal namens Justitia.Swiss. "Das wird uns gelingen", sagte Jacqueline Fehr, Regierungsrätin und Mitglied der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, heute in Luzern. Die Projektleitung schätzt die Laufzeit von Justitia 4.0 auf 8 Jahre. Das Projekt soll 2026 abgeschlossen sein.
Weitere Ziele des Projekts sind elektronische und medienbruchfreie Verfahren. Akten sollen jederzeit und von überall her zugänglich sein. "Es soll keine Verfahrensstillstände mehr geben, weil Akten nicht verfügbar sind", sagte Fehr. Der Weg zum Recht dürfe nicht über Papierberge führen. "Die digitale Transformation ist eine grosse Chance."
"Kein IT-Projekt"
Justitia 4.0 betrifft laut Gesamtprojektleiter Jens Piesbergen rund 25'000 bis 30'000 Arbeitsplätze. Es sei kein IT-Projekt sondern ein Transformationsprojekt, sagte Piesbergen in Luzern. Es umfasse Infrastruktur, Abläufe und Prozesse. "Wir haben aus früheren Projekten gelernt, dass wir nicht ein grosses System für alle brauchen", sagte Fehr. "Es braucht aber gute Schnittstellen, um die Interoperabilität zu sichern."
Das Projekt soll den Einsatz von Geld, Infrastrukturmitteln und Personal effizienter und das Arbeitsumfeld attraktiver machen. "Wir erhoffen uns auch eine Beschleunigung von Verfahren", sagte Jacques Bühler, stellvertretender Generalsekretär des Bundesgerichts.
Neue gesetzliche Grundlagen
Um Justitia 4.0 umzusetzen, braucht es neue gesetzliche Grundlagen. Geplant ist ein Obligatorium für die elektronische Kommunikation mit den Justizbehörden und für die elektronische Aktenführung - mit wenigen Ausnahmen. Die Federführung für die Gesetzgebung liegt beim Bundesamt für Justiz. Das Bundesgesetz über die elektronische Kommunikation soll zum Beispiel um eine Klausel ergänzt werden, um die Nutzung des neuen Justizportals Justitia.Swiss zu fördern.
Aktiv involviert im Projekt sind neben den kantonalen und eidgenössischen Gerichten auch die Schweizerische Staatsanwältekonferenz, der Schweizerische Anwaltsverband, das Bundesamt für Justiz und die Bundesanwaltschaft. Die Projektleitung stützt sich zudem auf Arbeitsgruppen, die sich aus Vertretern der beteiligten Organisationen zusammensetzen.
Aufteilung der Kosten
Um die Komponenten der künftigen Lösung auf ihre Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit zu überprüfen, sind bis 2022 mehrere Pilotprojekte geplant. Bis 2026 sollen die Lösungen bei den betroffenen Stellen in den Kantonen und beim Bund installiert und eingeführt sein.
Die Kosten des Projekts sollen zu 50 Prozent die Exekutiv- und zu 50 Prozent die Judikativbehörden tragen. Die Exekutivbehörden von Bund und Kantonen beteiligen sich nach bewährtem Schlüssel. Wie hoch die Kosten genau sind, ist noch unklar. Sie sollen nach Abschluss der Konzeptphase erhärtet sein, wie es in einer Mitteilung zum Start des Projekts heisst.
Auch die Bundesverwaltung steckt mitten in der digitalen Transformation. Wie sie diese anpacken will, können Sie hier lesen.