Rami Habib im Interview

Wie der Schweiz-Chef von Salesforce trotz Fachkräftemangel die richtigen Leute findet

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Rami Habib ist seit rund anderthalb Jahren Country Manager von Salesforce in der Schweiz. Er übernahm die Funktion von Petra Jenner, die das Unternehmen nach 18 Monaten in der Rolle verliess. Im Interview erklärt Habib, wie er die Geschäfte von Salesforce in der Schweiz führt und wie er trotz Fachkräftemangel die richtigen Leute findet.

Rami Habib, Country Manager, Salesforce Schweiz. (Source: zVg)
Rami Habib, Country Manager, Salesforce Schweiz. (Source: zVg)

Sie haben vor rund anderthalb Jahren die Country-Manager-Funktion von Salesforce Schweiz übernommen. Welche Prioritäten haben Sie in den vergangenen 18 Monaten vor allem verfolgt?

Rami Habib: Es wäre wohl untertrieben, die vergangenen 18 Monate nur als «interessant» zu bezeichnen. Denn die Realität war doch ziemlich herausfordernd. Die ausklingende Pandemie, der Krieg in der Ukraine, Inflation, Engpässe in den Lieferketten. Das alles hatte und hat Auswirkungen auf Unternehmen, die auch unsere Kunden sind. Viele von ihnen mussten sehr genau auf ihre Kosten schauen, und wollten ihre Prozesse effizienter gestalten. Statt einfach ihre eigenen höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben – was nicht immer so einfach ist – konzentrierten sie sich darauf, ihre Leistungen kostengünstiger zu erbringen und so ihre Gewinnspanne konstant zu halten. Ein schwieriges Umfeld nicht nur für sie, sondern auch für uns. Denn so mussten auch wir unsere Prioritäten verändern und unsere Organisation auf diese Phase einrichten, in der wir unseren Kunden aufgrund der Marktsituation nicht mehr weiteres Wachstum durch unsere Produkte ermöglichen konnten. Wir haben uns darauf konzentriert, wie wir unseren Kunden dabei helfen können, ihre Kosten zu senken, effizienter zu arbeiten, zu automatisieren.

Wie haben Sie die Organisation diesen Gegebenheiten angepasst?

Wir haben schon vor einiger Zeit damit begonnen, unsere Organisation an die Kundenbedürfnisse der verschiedenen Industrien anzupassen, in denen wir unsere Geschäftstätigkeiten vertiefen wollen. Dazu gehören Manufacturing, Financial Services, Healthcare und Life Sciences sowie Retail mit Consumer- und Luxusgütern. Jede Branche hat ihre spezifischen Herausforderungen und wir haben in unseren Teams dieses Branchen-Know-how aufgebaut, damit wir unseren Kunden als strategische Berater zur Seite stehen können. Ausserdem haben wir unseren Fokus um  Klein- und Mittelstandskunden erweitert und diesen Bereich gezielt aufgebaut. Der KMU-Markt, das sind für uns hierzulande typischerweise Schweizer Unternehmen, die quasi als «lokale» World Champions gelten und die besten ihres Fachs sind.


Ihre Vorgängerin Petra Jenner ist nach nur 18 Monaten als Country Manager von Salesforce Schweiz wieder gegangen. Wie beabsichtigen Sie, eine stabile und nachhaltige Führung zu gewährleisten?

Ich würde Stabilität und Nachhaltigkeit in der Führung nicht mit einzelnen Personen in Verbindung bringen. Viel wichtiger scheint mir die Kultur in einem Unternehmen – und wir arbeiten sehr intensiv an unserer Kultur, die auf den fünf Werten Vertrauen, Kundenerfolg, Innovation, Chancengleichheit, Nachhaltigkeit beruht. Ohne Werte gibt es keine Kultur und ohne Kultur gibt es keine Stabilität. Auch wenn ein Unternehmen den besten Chef der Welt hat, wird es ohne eine stabile Kultur nicht funktionieren. Auf der anderen Seite kann ein Kapitän auch von einem Schiff gehen, ohne dass dieses sogleich sinkt, wenn Stabilität vorhanden ist. Ausserdem besteht die Führung ja nicht nur aus mir, sondern aus einem Führungsteam, das über grosse und langjährige Erfahrung verfügt. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit beträgt 10 Jahre. Diese Menschen kennen bei Salesforce alles in- und auswendig. Sie kennen das Schweizer Geschäft durch und durch. Sie kennen unsere Schweizer Kunden sehr gut und führen ihre Mitarbeitenden sehr nah und persönlich. Ich selbst bin jetzt knapp zehn Jahre hier. Aber ohne mein Team wäre ich nirgendwo.

Was bedeutet das nun konkret für Salesforce Schweiz? Welche Akzente setzen Sie persönlich in der Führung des Unternehmens?

Zwei meiner Grundsätze lauten: Wir geben nie auf und wir sind ein Team. Hier in der Schweiz sind wir als Salesforce überdurchschnittlich erfolgreich. Denn geografisch gesehen ist die Schweiz zwar ein kleines Land, aber sie ist mit ihren globalen Accounts und den bereits erwähnten World Champions im KMU-Markt ein wichtiges Land für uns. Das heisst auch, dass wir hier ein grosses Potenzial haben, insbesondere in Bezug auf die Kernindustrien, auf die wir uns konzentrieren. 

Welchen Führungsstil bevorzugen Sie und wie beabsichtigen Sie diesen in Ihrer Position als Country Manager von Salesforce Schweiz einzubringen?

Ich glaube fest daran, dass man nur Vertrauen aufbauen kann, wenn man transparent gegenüber den Menschen ist, mit denen man spricht und arbeitet. Ich verberge nichts, ich nenne die Dinge beim Namen – ob gut oder schlecht. Ausserdem glaube ich an das schweizerische Modell der Konsensfindung. Bevor ich eine Entscheidung treffe, nehme ich mir wirklich die Zeit, jeden in meinem Team anzuhören. Ich achte darauf, dass die ruhigste Person im Raum ebenfalls ihre Meinung teilt. Bevor ich entscheide, möchte ich die Sichtweise aller kennen. Ausserdem bin ich inklusiv und zugänglich. Meine Tür steht immer offen. Ich ermutige alle, mit Anliegen oder Gedanken zu mir zu kommen und mein Führungsteam soll genauso handeln. Wir haben sogenannte «Skip-Level-Meetings», bei denen mehrere Managementebenen übersprungen werden. Wir organisieren auch Frühstücke, bei denen ein Mitglied des Führungsteams anwesend ist und jeder teilnehmen und sich offen austauschen kann.

Welche Auswirkungen hat Ihr Führungsstil auf das Unternehmen?

Der Führungsstil beeinflusst Positionierung, Wachstum und Erfolg. Er schafft eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit, die sich letztlich in den Ergebnissen widerspiegelt.

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Wie begegnet Salesforce dem «War for Talents»?

Der Mangel an Fachkräften ist zweifelsohne eine Herausforderung. Doch durch unsere Werte, unsere Investition in die Mitarbeitendenentwicklung und unser Engagement für eine positive Unternehmenskultur sind wir überzeugt, dass wir sowohl die besten Talente anziehen als auch langfristig halten können.

Wie machen Sie das konkret?

Vertrauen, Kundenerfolg, Innovation, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit sind die zentralen Werte von Salesforce. An erster Stelle steht das Vertrauen. Es ist das Herzstück unseres Geschäfts, und wir setzen alles daran, das Vertrauen unserer Kunden nicht zu enttäuschen. Und natürlich sind wir nur so erfolgreich, wie unsere Kunden es sind, weshalb Kundenerfolg ein zentraler Bestandteil für uns ist. Innovation ist unser Antrieb. Wir streben ständig nach Verbesserung und Weiterentwicklung unserer Produkte im Sinne unserer Kunden – derzeit vor allem im Bereich künstliche Intelligenz (KI). Chancengleichheit ist ein grundlegender Wert für uns. Wir setzen uns dafür ein, dass sich jeder Mitarbeitende im Unternehmen wertgeschätzt und gleichbehandelt fühlt und vertreten diesen Ansatz auch in der Gesellschaft. Nachhaltigkeit bedeutet für uns, verantwortungsbewusst zu handeln, sowohl gegenüber der Umwelt als auch gegenüber der Gesellschaft. Diese Werte ziehen nicht nur Kunden an, sondern auch Talente. Vor allem junge Menschen möchten heute für Unternehmen arbeiten, die ihre persönlichen Werte teilen. Nach der Anwerbung von Talenten ist deren Entwicklung ein zentraler Punkt. Wir investieren in die Weiterbildung unserer Mitarbeitenden, bieten ihnen Möglichkeiten zur beruflichen und persönlichen Entfaltung. Zum Schluss kommt die Bindung der Mitarbeitenden ans Unternehmen. Es geht nicht nur um ein gutes Gehalt und Zusatzleistungen. Es geht darum, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich jeder im Team wertgeschätzt und herausgefordert fühlt. Die Talentsuche ist also nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Gelegenheit, die uns herausfordert und motiviert, immer wieder unser Bestes zu geben.

Trotz Fachkräftemangel hat Salesforce weltweit 8000 Mitarbeitende entlassen. Wie passt das zusammen?

Das war Teil dessen, was wir im Januar ankündigten. Grundsätzlich muss man das von einem makroökonomischen Standpunkt betrachten. Die gesamte Branche ­wurde im vergangenen Jahr hart getroffen und musste reagieren.

Wie möchten Sie den Kundenstamm von Salesforce Schweiz erweitern und die Kundenbeziehungen weiter vertiefen?

Ich habe darüber schon ein wenig gesprochen. Ich bin überzeugt, dass sich unsere Kultur mit ihren Werten Vertrauen, Kundenerfolg, Innovation, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit auf Kunden und Mitarbeitende gleichermassen positiv auswirkt. Das Engagement für unsere  Kunden, das Verständnis ihrer Herausforderungen und das Anbieten von massgeschneiderten Lösungen wird durch unsere Mitarbeitenden erbracht. Wir verkaufen nicht einfach nur Produkte oder Lizenzen, sondern wir beraten unsere Kunden und helfen ihnen so, sich zu verändern und anzupassen. Wir unterstützen sie dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben und sich in einer sich ständig verändernden Geschäftswelt hervorzutun. Das ist es, was uns von anderen unterscheidet.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz bei der Umsetzung der strategischen Ziele von Salesforce?

KI ist in jeder Branche ein Gesprächsthema. Für uns ist sie aber tatsächlich nichts Neues – wir haben «Einstein», unseren KI-Layer, bereits vor fast einer Dekade eingeführt. Damit tun wir nun das, was wir am besten können: die Kombination von KI, Daten und CRM. Das Ergebnis ist, dass unsere Kunden mit ihren Kunden über Salesforce sehr individuell interagieren können, gestützt durch Echtzeitdaten, effizient und skalierbar. Ausserdem schreiben wir auch hier das Thema Vertrauen mit der Einführung einer weiteren Komponente, des Einstein Trust Layer, gross. Dieser setzt einen neuen Industriestandard für vertrauenswürdige, generative KI in Unternehmen und stellt gleichzeitig die Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit sicher.

Microsoft attackiert mit seiner neuen, KI-fähigen Version von «Teams» Slack von Salesforce. Welche Auswirkungen erwarten Sie dadurch auf Ihr Geschäft?

Zu Microsoft oder anderen Mitbewerbern möchte ich mich nicht direkt äussern. Es ist aber in jeder Wirtschaft gut, Konkurrenten zu haben. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass wir uns auf das konzentrieren, was wir am besten können. Salesforce ist das Engagement-Tool für die Kunden unserer Kunden. Alles, was Unternehmen zur Interaktion mit Kunden benötigen, können sie mit Salesforce tun. Deshalb habe ich auch bereits die Kombination von CRM, Daten und künstlicher Intelligenz betont. Diese 360-Grad-Sicht ist unser kompetitiver Vorteil. 

Welche Entwicklungen erwarten Sie für den schweizerischen Markt in den nächsten 12 bis 24 Monaten?

Finanzdienstleistungen sind ein Hauptentwicklungsbereich für uns. Ausserdem fokussieren wir uns weiter auf das Thema Datenresidenz. Insbesondere regulierte Branchen wie Healthcare  und den öffentlichen Sektor werden wir in Zukunft noch besser bedienen können. Wir vertiefen auch unsere Branchenspezialisierung und integrieren künstliche Intelligenz stärker in all unsere Lösungen.

Wie sehen Sie die wirtschaftliche Entwicklung etwa im Zusammenhang mit Inflation?

Das ist schwierig vorherzusagen. Trotzdem bin ich von Natur aus optimistisch. Die Inflationsproblematik ist noch nicht gelöst, aber wird angegangen. Ich hoffe, dass die Zinssätze in den nächsten 12 Monaten ein gesundes Mittelmass finden werden. Ich bleibe zuversichtlich, besonders für die Schweiz.


Zur Person
Rami Habib ist Senior Vice President & General Manager von Salesforce Schweiz. In seiner vorherigen Rolle bei Salesforce war er Area Vice President & Head of Cloud Sales, wo er als Mitglied des Country Leadership Teams (CLT) das Cloud-Geschäft leitete. Davor war er bei Salesforce Area VP of Strategic Account Advisory & Switzerland Deputy Country Leader. 

Zuvor war Rami Habib bei Oracle als Director of Customer Strategy & Insight mit Sitz in Genf tätig. In früheren Positionen arbeitete er bei Booz & Co im Nahen Osten und in Nordafrika und bei A.T. Kearney in Europa als Strategie- und Managementberater. 

Davor war Rami Habib bei IBM in verschiedenen Führungspositionen tätig, u. a. als Technical Leader für Europa und Asien, als New Products Program Manager für Europa und als Wirtschaftsingenieur mit Einsätzen in Irland und den USA.

Habib verfügt über einen MBA der Smurfit Business School (University College Dublin) und einen Abschluss als Elektroingenieur der American University of Beirut. Am IMD in Lausanne absolvierte er Kurse für Führungskräfte im Bereich der digitalen Transformation. Habib spricht Englisch, Französisch, Arabisch und Spanisch. 

Quelle: Salesforce

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