Draussen Daiquiris, drinnen Disruption
Der Finanzdienstleister Six hat seinen zweiten Hackathon veranstaltet. Erstmals parallel in Zürich und in der Finanzmetropole schlechthin: in London. Am Ende überzeugten vor allem die Zürcher Teams.
Der Finanzdienstleister Six hat am ersten Märzwochenende seinen zweiten Hackathon zum Thema Fintech durchgeführt. Wer zum Event wollte, musste zunächst durch die Bar im Schiffbau. Chic gekleidete Damen und Herren stimmten sich bei Wein, Bier und Daiquiris auf das Wochenende ein.
Am Ende der Bar verdeckte ein dicker, dunkler und schwerer Vorhang den Eingang zum Hackathon. Dahinter bereiteten sich die freiwilligen Helfer von Six und die Gäste darauf vor, die Schweizer Finanzbranche zu disruptieren.
Gleichzeitig in Zürich und in London
Der Saal teilte sich in drei Bereiche auf: den ersten Bereich bildete eine Bühne mit einer Leinwand im Hintergrund, der zweite Bereich waren mehrere Stuhlreihen, gefolgt von Tischen, an denen bereits die ersten an ihren Computern sassen. Im dritten Bereich, nach einer Gruppe von Stehtischen, bot etwas erhöht eine Lounge die Hacker zum Relaxen ein.
Die Bühne und die Lounge waren quasi die beiden Enden und zugleich die Verbindungen nach London. Denn erstmals veranstaltete Six seinen Hackathon parallel in der Schweizer Finanzmetropole Zürich und in der europäischen Finanzmetropole London.
Mit dem parallel stattfindenden Event auf der britischen Insel wollte Six das Format weiterentwickeln, wie Gastgeber Andreas Iten von Six in einem Gespräch erklärte. Die Schweiz biete mit seiner Finanzbranche viel Potenzial. Allerdings sei sie in der weltweiten Fintech-Branche bislang wenig sichtbar. Da habe es sich angeboten, über das Büro in London den Event parallel zu veranstalten.
200 angemeldete Teilnehmer zählte Six, 120 in Zürich und 80 in London. Ein Team in London stammte allerdings aus der Schweiz. Das volle Haus zeige auch den Stellenwert von Fintech in der Schweiz, betonte Iten. Zum Vergleich: Der wohl schweizweit grösste Hackathon-Event, Hack ZH, zählte an seiner letzten Ausgabe im Herbst 2015 rund 500 Teilnehmer.
Talentpool Hackathon
Wer besucht einen Hackathon? Studenten, Start-ups, Hobby-Hacker und Six-Mitarbeiter. Der Hackathon diente also auch der Talentsuche. Die Teilnehmer können auf diese Weise in einer lockeren Umgebung informelle Gespräche mit Six-Mitarbeitern führen und das Unternehmen kennenlernen. Nach dem letzten Hackathon 2015 habe Six vier Teilnehmer engagiert, erklärte Iten.
Um 23 Uhr ging es dann los: Die Teilnehmer zogen Nummern, stellten sich gegenseitig ihre Projekte vor und suchten nach Mitstreitern. Manche erklärten frei ihre Ideen. Andere lasen hingegen klar definierte Anforderungskataloge vor.
Disruption als Hobby
Während sich die meisten Teilnehmer noch zu Gruppen zusammenschlossen, begannen andere bereits mit der Entwicklung ihrer Ideen. So wie Thomas Debrunner, Andreas Steger und Dominic Brütsch.
Die drei Jung-Entwickler besuchen in ihrer Freizeit Hackathons, wie Debrunner sagte. Am Six-Event wollten sie eine Anwendung für die Ermittlung der Kreditwürdigkeit programmieren. Wie das genau gehen soll, wollten die Entwickler am Freitag gegenüber der Redaktion noch nicht verraten. Am Sonntag enthüllte das Team dann die Webapplikation namens Deep Credit.
Diese evaluiert die Kreditwürdigkeit oder das Vertrauen in Personen im Internet, wie die Entwickler erklärten. Dahinter stecken Deep-Learning-Algorithmen von IBMs Watson. Als Basis dienen der Lösung Daten wie das Facebook-Profil des Antragstellers, Fotos und Texte. Hinzu kommen Lösungen für Aufgaben, die der User im Browser lösen kann.
Anzahl Projekt fast verdoppelt
Vergangenes Jahr zählten die Veranstalter 23 Projekte. Dieses Jahr reichten die Teilnehmer 40 Entwicklungen ein, davon 26 in Zürich und 14 in London.
Als Ideengeber bot Six vier Workshops an: zwei Referenten in Zürich und zwei in London gaben einen Einstieg in die Bereiche Open Data, Paymit, Blockchain und Cognitive Computing. In diesen vier Segmenten prämierte eine Jury herausragende Projekte.
Die Sieger
Den Preis für Cognitive Computing schnappte sich das Deep-Credit-Team. Den Preis für das beste Blockchain-Projekt erhielten Xavier Lepretre, Zinnirah Kasim, Cyril Lapinte und Loic Glemot. Das Team aus London programmierte einen Markt für Blockchain.
Im Bereich Paymit setzte sich das Zürcher Team mit Marcel Mohler, Benjamin Weber, Thomas Richner und Jonathan Moy de Vitry durch. Sie entwickelten die Lösung Tipit für Mikrotransaktionen. Bis zu 0.001 Franken können Paymit-Nutzer damit überweisen. Die Entwickler sehen verschiedene Anwendungsbereiche wie In-Game-Käufe, Spenden oder Bezahlmöglichkeiten für Onlinemedien.
Auf Basis öffentlich zugänglicher Daten im Web kreierte ein Team aus London einen Twitter-Bot. Dieser bietet Kauftipps für Aktien an. Mit ihrem Bot siegten Jaromir Latal, Amogh Malik und Abdul Faiz Punakkath im Bereich Open Data. Zusätzlich sicherten sie sich, als einziges Team aus London, einen Podestplatz im Gesamtranking.
Den zweiten Platz erzielte Funbees, ein Zürcher Projekt. Die Anwendung von Dejan Prokic, Nenad Prokic und Matyas Albert soll Kindern und Jugendlichen altersgerecht den Umgang mit Geld beibringen.
Auf den ersten Platz kam Pay Motion, ebenfalls ein Zürcher Projekt von Johan Chavaillaz, Andreas Hosbach, Nicolas Sanglard und Thomas Eppler. Pay Motion ist eine Erweiterung der Bezahl-App Paymit. Nutzer "zahlen" mit Paymotion kleine Gefälligkeiten, etwa ein Bierglas-Emoticon verknüpft mit der Einladung zum Bier. Das Bier kann der Empfänger dann etwa in der Lieblingsbeiz mit dem Sender einlösen.