ICT-Beschäftigte wünschen sich Teilzeitjobs
Mit der passenden Infrastruktur verfügt die ICT-Branche über eine gute Grundlage für flexible Arbeitsplatzmodelle. Was Teilzeitmodelle betrifft, hat das ICT-Umfeld jedoch noch Nachholbedarf. Die Redaktion fragte nach bei Jobcloud, Teilzeitkarriere.com und ICT-Switzerland.
Nur 18,5 Prozent der ICT-Stellenangebote auf Jobs.ch sind laut Jobcloud-CEO Renato Profico aktuell in Teilzeit ausgeschrieben. Auf dem Jobportal Teilzeitkarriere.com, das auf Teilzeitstellen spezialisiert ist, findet der Webcrawler täglich im Schnitt rund 500 ICT-Stellen. Das sind lediglich etwa 3 Prozent der insgesamt 15 000 offenen Stellen. Andy Keel, Gründer von Teilzeitkarriere.com, ist deshalb auch der Meinung, dass sich flexible Arbeitszeitmodelle im ICT-Bereich noch nicht durchgesetzt hätten.
Ein Drittel will auf Teilzeit reduzieren
Diese Aussagen werden von Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BfS) untermauert, die das Institut für Wirtschaftsstudien Basel (IWSB) zur Verfügung stellte. Von 2008 bis 2015 ist beim Anteil der Teilzeitarbeitenden in der ICT-Branche keine Entwicklung ersichtlich (Teilzeit entspricht in der Statistik einer Anstellung von unter 90 Stellenprozent). Bei den Frauen hat sich dieser Anteil bei durchschnittlich 38 Prozent, bei den Männern bei rund 13 Prozent eingependelt. Interessant ist jedoch, dass in der ICT-Branche 2015 fast ein Drittel der Frauen und 21 Prozent der Männer in ICT-Berufen den Wunsch hegten, auf Teilzeit umzustellen. Die Nachfrage ist da. Weshalb harzt es also bei der Umsetzung?
Profico ist der Meinung, dass etwa eine Umstellung von 80 auf 70 Prozent wenig problematisch sei. "Schliesslich heisst es sogar, Mitarbeiter, die zu 80 Prozent tätig sind, seien die effizientesten, da sie einen Vollzeit-Job in kürzerer Zeit erledigen", sagt er. Anstellungen unter 70 Prozent müssten jedoch gut organisiert werden. Diese Ansicht teilt Andreas Kaelin, Geschäftsführer von ICT-Switzerland. Beschäftigungen unter 50 Prozent würden sich in der ICT-Branche aus inhaltlicher wie wirtschaftlicher Sicht nicht eignen. Gerade bei Grossprojekten sei die Organisation und Wissensweitergabe in diesem Kontext problematisch.
Unternehmenskultur ist entscheidend
Auch die Einstellung des Arbeitgebers spielt eine wichtige Rolle. Eine gewisse Flexibilität ist laut Kaelin Voraussetzung, um Teilzeitarbeitsmodelle erfolgreich umzusetzen. Die Grösse des Unternehmens habe dabei keinen Einfluss. Die Unternehmenskultur ist auch für Keel ausschlaggebend. Profico sieht das anders: "Im ICT-Bereich sind hauptsächlich staatliche Verwaltungen oder Grosskonzerne wie Swisscom oder Microsoft teilzeitfreundlich." Aufgrund der vorhandenen Ressourcen seien dort die Möglichkeiten grösser.
Gute Beispiele sind vorhanden
Es gibt sie aber, die ICT-Unternehmen, die das Teilzeitarbeitsmodell erfolgreich umgesetzt haben. Swisscom etwa beschäftigt insgesamt 13 Prozent ihrer Mitarbeiter in Teilzeit. Im Ranking der 100 Top-Teilzeit-Arbeitgeber 2015 der Schweiz von Teilzeitkarriere.com schaffte es der Telko als bestes ICT-Unternehmen auf Platz 13, wie Profico sagt.
Aber auch kleinere Unternehmen wie Ergon Informatik zeichnen sich durch flexible Arbeitszeitmodelle aus. Keel nennt den Informatikdienstleister mit rund 200 Mitarbeitern als ein "herausragendes Beispiel einer modernen und aufgeschlossenen Unternehmenskultur".
Solche Beispiele zeigen, dass grosse Unternehmen wie KMUs Teilzeitmodelle umsetzen können. Entscheidend scheint eine offene und moderne Unternehmenskultur zu sein. Die Zahlen des BfS zu den Vollzeit- und Teilzeitanstellungen spiegeln zudem ein altes Rollenmuster wider. Nach wie vor seien es Frauen, die auf Teilzeit umstellen, sagt Profico. Entwicklungspotenzial sieht er bei Männern wie bei Frauen. Bei Männern müsse aber eine "grundlegende gesellschaftliche Entwicklung" stattfinden.